Brandenburger Umweltschützer protestieren gegen Vattenfall

Schwedenhappen zu verkaufen

Das schwedische Staatsunternehmen Vattenfall will seine Braunkohlesparte in Brandenburg und Sachsen verkaufen. Dennoch treibt es die Erschließung weiterer Abbaugebiete gegen den Protest von Anwohnern und Umweltschützern voran.

»Mit der Zerstörung der Lausitz durch Braunkohletagebaue muss endlich Schluss sein«, fordert Edith Penk. Die zierliche, aber energische Frau kämpft schon seit mehreren Jahren gegen die Zerstörung von Umwelt und Dörfern durch Kohletagebaue. Nun soll nach Plänen des schwedischen Energiekonzerns Vattenfall auch das Dorf Rohne, ein Ortsteil von Schleife im Landkreis Görlitz, in dem Penk wohnt, den Kohlebaggern weichen. Der sogenannte Braunkohleplan, sozusagen die landesplanerische Genehmigung für dieses neue Vorhaben von Vattenfall, wurde im Mai vom sächsischen Wirtschaftsminister bewilligt.

Nach Auffassung von Umweltschützern, betroffenen Einwohnern, Politikern und Wissenschaftlern ist der Braunkohleplan hingegen rechts- und verfassungswidrig. Deshalb hat ein Klagebündnis, bestehend aus dem sächsischen Landesverband des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland, Greenpeace und, stellvertretend für andere, einem Einwohner von Rohne, im vergangenen Sommer Klage beim Oberverwaltungsgericht Bautzen gegen den Braunkohleplan eingereicht. Dennoch treibt Vattenfall die Planungen und weitere Anträge für den geplanten Ta­gebau Nochten 2 aggressiv voran. Im Dezember 2014 reichte das Unternehmen auch den Antrag auf Genehmigung des »Rahmenbetriebsplanes« für Nochten 2 ein. Mehrere Dörfer würden im Falle einer Genehmigung zerstört werden, über 1 600 Menschen müssten ihre Bleibe verlassen und umsiedeln.
Besonders brisant ist dabei: Der schwedische Energiekonzern hat im vergangenen Herbst angekündigt, die ostdeutsche Braunkohlensparte zu verkaufen und gänzlich auf die Energieerzeugung aus Braunkohle zu verzichten. Dies ist vor allem auf politische Entscheidungen der rot-grünen Regierung in Schweden zurückzuführen. Sie hatte schon kurz nach ihrem Wahlsieg im vergangenen Herbst mitgeteilt, der staatseigene Energiekonzern Vattenfall müsse aus Gründen des Umweltschutzes die CO2-Emissionen erheblich verringern – und dazu auch die klimaschäd­lichen Kohlekraftwerke und die Braunkohletagebaue in der ostdeutschen Lausitz abstoßen.
Die Stromerzeugung aus Braunkohle ist wegen des besonders hohen CO2-Ausstoßes die klimaschädlichste Art der Energieerzeugung. So bläst allein das Vattenfall-Kraftwerk Jänschwalde bei Cottbus im Jahr etwa 23 bis 25 Millionen Tonnen CO2 in die Luft, das Vattenfall-Kraftwerk Boxberg in Sachsen verschmutzt mit ungefähr 16 Millionen Tonnen CO2 im Jahr Umwelt und Atmosphäre und trägt damit auch zum weltweiten Treibhauseffekt bei. Dieses Image als »Klimakiller« möchte der schwedische Staat schnellstmöglich loswerden. Auch die Zerstörung von Dörfern, Wäldern und Naturschutzgebieten in Deutschland durch die Kohlebagger von Vattenfall sorgte in den vergangenen Monaten in Schweden für Empörung und Widerstand in der Bevölkerung, nachdem dieses Thema zuvor jahrelang totgeschwiegen und den Bürgern verheimlicht worden war.

Kaufinteressenten gibt es schon. Bereits im November teilte der tschechische Energiekonzern EPH öffentlich mit, den Kauf der Braunkohlesparte in Erwägung zu ziehen. EPH baut auch in Tschechien Braunkohle ab und besitzt bereits die Mitteldeutsche Braunkohlengesellschaft. In der vergangenen Woche bekundete das ebenfalls in Tschechien sitzende Unternehmen CEZ Kaufin­teresse. CEZ ist sowohl an den zum Verkauf stehenden Kohlekraftwerken als auch an den von Vattenfall betriebenen thüringischen Wasserkraftwerken interessiert. Der Wert der von Vattenfall betriebenen Braunkohlesparte in der Lausitz wird auf zwei bis drei Milliarden Euro geschätzt, ein Verkauf unter Zeitnot könnte den Preis jedoch drücken. Die Verkaufsverhandlungen sollen im April beginnen, gegen Jahresende soll das Geschäft abgeschlossen sein.
Doch trotz der ganz klaren und bereits offiziell verkündeten Verkaufsabsicht für die Braunkohlesparte in der Lausitz will die Vattenfall Europe Mining AG, ein hundertprozentiges Tochterunternehmen von Vattenfall, das für die Braunkohle­tagebaue in Ostdeutschland zuständig ist, unbedingt den Genehmigungsprozess für den neuen Tagebau Nochten 2 forcieren. Dabei ist vollkommen klar, dass Vattenfall diesen Braunkohle­tagebau im Falle einer Genehmigung gar nicht betreiben will. »Das ist klar rechtswidrig«, sagt Ursula Eichendorff vom Bündnis »Strukturwandel jetzt – Kein Nochten 2!«. Dieser Zusammenschluss von Einwohnern, Bürgerinitiativen und anderen Unterstützern will die geplante Erschließung unbedingt verhindern. »Dieser Tagebau wäre aus mehreren Gründen verfassungswidrig und rechtswidrig«, so Eichendorff, »und vor allem wäre er mit den von der Bundesregierung beschlossenen Zielen des Klimaschutzes und der Energiewende überhaupt nicht vereinbar. Mit der Verstromung von geplanten 300 Millionen Tonnen Braunkohle aus dem Tagebau Nochten 2 würde etwa die gleiche Menge klimaschädliches CO2 in die Atmosphäre freigesetzt. Dazu kommen weitere Emissionen von gesundheitsschädigenden Stoffen, allein aus dem Kraftwerk Boxberg wurden im Jahr 2012 etwa 235 Kilogramm toxisch wirkendes Quecksilber in die Luft entlassen.« Eichendorff ergänzt: »Nochten 2 ist energiepolitisch nicht erforderlich – entgegen den Behauptungen von Vattenfall. Mit der Zulassung des Rahmenbetriebsplans würde das sächsische Oberbergamt das Gutachten des Deutschen Ins­tituts für Wirtschaftsforschung ignorieren, nach dem die Kohle aus diesem Tagebau gar nicht mehr für die Energieversorgung gebraucht wird.«

Vattenfall behauptet, der neue Tagebau sei erforderlich, um das in der Nähe befindliche Kohlekraftwerk Boxberg noch mindestens bis 2040 betreiben zu können. Doch im Gutachten des Instituts für Wirtschaftsforschung wird nachgewiesen, dass das Kraftwerk auch mit der Kohle aus dem bereits genehmigten Tagebau Nochten 1 bis zum Jahr 2030 betrieben werden könnte. Zudem sollten mehrere veraltete und ineffizente Blöcke des Kraftwerkes nach Ansicht des Instituts und anderer Experten in den nächsten Jahren stillgelegt werden. Auch die staatliche Bundesnetzagentur geht in einer aktuellen Analyse davon aus, dass die Blöcke P und N des Kraftwerkes Boxberg demnächst abgeschaltet werden müssten, um einer Überkapazität auf dem Strommarkt sowie vor allem in den Stromnetzen entgegenzuwirken und um die Vorgaben des von der Bundesregierung im Dezember 2014 beschlossenen »Aktionsprogramms Klimaschutz« einzuhalten.