Proteste gegen Flüchtlingsunterkünfte in Hamburg und Berlin

Überall, nur nicht hier

In Hamburg haben Anwohner gegen den Bau einer Flüchtlingsunterkunft geklagt – mit Erfolg. Nun wollen Bewohner des Berliner Westends ebenfalls gegen die geplante Unterbringung von Flüchtlingen gerichtlich vorgehen.

»Flüchtlinge passen nicht hierher«, ist sich ein Anwohner im gutbürgerlichen Stadtteil Neu-Westend sicher. »Wir sind eine betuliche, auf Ruhe ausgerichtete Nachbarschaft«, erklärt er dem Reporter der Berliner Zeitung. Der ältere Mann schlägt vor, die Flüchtlinge nicht in Charlottenburg, sondern stattdessen an der Peripherie anzusiedeln. Im Ortsteil Buch gebe es viele leerstehende Liegenschaften. Dort kenne er sich aus, sagt der ältere Mann mit Hund. Er sei dort Patient in der Klinik.

Die Stimmung in der 1866 entstandenen Villenkolonie Westend zwischen Spandauer Damm und Reichsstraße ist angespannt, seit bekannt wurde, dass in der ehemaligen Klinik für Psychiatrie der Charité zunächst 300, später 500 Flüchtlinge untergebracht werden sollen. Das Haus an der Eschenallee steht leer. Die ersten Asylsuchenden können voraussichtlich noch in diesem Monat einziehen. Doch zwei Anwohner wollen gegen die Unterbringung der Flüchtlinge klagen. In einem Schreiben an die Nachbarschaft beklagen die Wortführer vor allem mögliche materielle Einbußen: »Abgesehen von sozialen Spannungen wird es zu einer erheblichen Abwertung unserer Wohngegend und somit zu einer Schädigung von Vermögenswerten kommen.« Außerdem bitten die Organisatoren die Anwohner darum, sich an der Klage und den entstehenden Kosten zu beteiligen. Aus ihrer Sicht müsse die Klage schnellstmöglich eingeleitet werden, »bevor eine eventuelle Informationsveranstaltung unsere aktuell gute Ausgangssituation verschlechtert«.
Innerhalb kürzester Zeit fanden sich so viele Unterstützer, dass sich die Kosten für jeden Beteiligten auf rund 1 000 Euro belaufen sollen. Die Organisatoren halten diese Kosten für »tragbar«, angesichts der Aussicht, »sich eventuell zehn Jahre mit dem Problem auseinandersetzen zu müssen«. Gute Chancen rechnen sie sich aus, seit ein Gericht in Hamburg in einem ähnlichen Fall zugunsten der klagenden Anwohner entschied. »Dort ist die Belastung der Wohngegend durch eine unangemessene Anzahl von Asylbewerbern als Hauptgrund für die Zulassung der Klage gesehen worden.«

Im Hamburger Stadtteil Harvestehude sollten im ehemaligen Kreiswehrersatzamt rund 200 Flüchtlinge untergebracht werden. Die Umbauarbeiten liefen schon seit Herbst vorigen Jahres. Doch dagegen reichten drei Bürger einen Eilantrag ein, als Gründe für ihre Klage nannten sie unter anderem »Kinderlärm« sowie »Störungen durch einen erheblichen KFZ-Verkehr«.
In dem Antrag wird behauptet, dass »die Zuwanderer keinerlei Beziehung zu dem in Anspruch genommenen Wohngebiet« hätten. Weil sie »zum größten Teil ohne Beschäftigung« seien, müsse »damit gerechnet werden«, dass sich die Flüchtlinge »für beträchtliche Zeiträume außerhalb des Gebäudes und in der näheren Umgebung aufhalten« würden. Vor allem die Kinder »mit ihrem Bewegungsdrang« würden »zu einer erheblichen Unruhe führen«. Deshalb sei die Gemeinschaftsunterkunft mit einem beträchtlichen Störungspotential verbunden, welches in »einem geschützten Wohngebiet« den Anwohnern »fremd und unverträglich« sei. »Ich kenne die drei Kläger, das sind honorige Bürger, keine Rechten oder so was«, sagte der Bezirksamtsleiter von Eimsbüttel, Torsten Sevecke (SPD), der Hamburger Morgenpost. Trotz mehrfacher Gespräche mit den Klägern sei es nicht dazu gekommen, »dass sie die Klage zurücknehmen«.
Das Hamburger Verwaltungsgericht gab Ende Januar unter dem Vorsitz des Richters Claus-Eckhard Graf von Schlieffen dem Eilantrag der Anwohner statt und stoppte den Umbau des Gebäudes. Dabei berief sich das Gericht auf den Baustufenplan von 1955, der das Gebiet an der Sophienterrasse als besonders geschütztes Wohngebiet ausweise. Dementsprechend seien Anlagen im geplanten Umfang unzulässig in dieser Gegend. Die Richter befanden, dass es sich bei der Unterbringung von Wohnungslosen und Flüchtlingen in der vorgesehenen Weise nicht um eine Wohnnutzung im engeren Sinne handle. Dazu fehle es an der auf Dauer angelegten Häuslichkeit und an der Freiwilligkeit des Aufenthalts. Außerdem setze eine Wohnnutzung ein Mindestmaß an Intimität voraus. Daran fehle es ebenfalls.
Das zuständige Bezirksamt Eimsbüttel kündigte an, gegen die Entscheidung Rechtsmittel beim Oberverwaltungsgericht einzulegen. Selbst nach Ansicht des Anwalts der Kläger, Gero Tuttlewski, ist es wahrscheinlich, dass eine Flüchtlingsunterkunft in dem Quartier zulässig ist, aber nicht in der Größenordnung. Eine Einrichtung mit 220 Plätzen in einem Wohngebiet mit 231 Bewohnern sei einfach zu groß und damit nicht tragbar. »Wir haben bei einem Erörterungstermin (eine Unterkunft für) 50 bis 60 Personen vorgeschlagen«, so Tuttlewski.

Wie dringend derzeit neue Unterkünfte für Flüchtlinge benötigt werden, zeigt die Situation in Berlin. Zum Einen beschweren sich die ersten Bezirke über die äußerst kurzfristigen »Beschlagnahmungen« ungeeigneter Immobilien, wie zum Beispiel Turnhallen, zum Anderen wird die Unterbringung in Notunterkünften und Hostels vom Landesamt für Gesundheit und Soziales anscheinend nicht ausreichend kontrolliert. So fand der Sozialstadtrat von Neukölln, Bernd Szczepanski (Grüne), in einem Hostel Zustände vor, die weder den Sicherheitsstandards noch den hygienischen Vorgaben annähernd entsprachen. Zugleich seien viele Räumlichkeiten einfach überbelegt. Franz Allert, Präsident des Landesamtes für Gesundheit und Soziales, verweist darauf, sein Amt sei völlig überlastet und deshalb gegenwärtig nicht in der Lage, Kontrollen in ausreichendem Maße durchzuführen. Eine Änderung dieses Zustandes scheint nicht in Sicht.