German ­Noise

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Der Deutsche liebt es, nach Mallorca zu fliegen und dort den Strand vollzukotzen. ­Zuhause soll aber bitte alles schön sauber sein. Die Energiewende findet der Deutsche super, aber vor seiner Tür soll das Windrad selbstverständlich nicht stehen. Er fängt, wenn ihm langweilig ist, gerne einmal einen Weltkrieg an, aber wenn zurückgebombt wird, ist er schwer beleidigt. »Farting with a walkman on« heißt ein Lied der Bloodhound Gang. Es könnte die deutsche Nationalhymne sein. Ähnlich hält es der Pistolenkrebs, ein nur fünf Zentimeter großes Tierchen, dass aber umso mehr auf dicke Hose macht: Es ist das lauteste Lebewesen auf der Erde. Selbst ist der Krawallkrebs taub. Wie praktisch!
Seit Jahren demonstrieren die Anwohnerinnen und Anwohner des leisesten Flughafens der Welt, des Berliner BER, Woche für Woche gegen Fluglärm. Was wird erst los sein, wenn der Flughafen in Betrieb gehen sollte? Stellen sich die Brandenburger da nicht ein wenig an? Ein startender Düsenjet verursacht gerade einmal 130 Dezibel Krach, ein einzelner Pistolenkrebs 250 Dezibel. Aber wie gesagt, er hört’s ja nicht. Er macht mit seiner Schere nicht nur Lärm, sondern feuert durch eine Implosion auch einen gewaltigen Wasserstrahl plus Lichtblitz ab, mit dem er seine Beute regelrecht abschießt. Dabei entsteht eine Hitze von 4 700 Grad Celsius – fast so heiß wie auf der Sonnenoberfläche. Der kleine Pistolenkrebs erzeugt für den Bruchteil einer Sekunde mit nur einer Schere also wohl mehr Energie als alle 25 000 Windräder Deutschlands zusammen.
Dennoch haben einige Deutsche den Schuss nicht gehört. In Pullach etwa. Dort residiert der BND auf dem Gelände des ehemaligen NS-Musterdorfs »Reichssiedlung Rudolf Heß«, auch »Sonnenwinkel« genannt. In der von Martin Bormann errichteten Modellsiedlung sollten Arier gezüchtet werden, auch die Gärten bewirtschaftete man biologisch-dynamisch. Pullach beherbergte ein »Führerhauptquartier« mit Bunker, hochrangige NS-Funktionäre lebten hier, Hitler ging ein und aus.
Nach dem Krieg wurde die »Organisation Gehlen«, der Vorläufer des BND, direkt in der Siedlung aufgebaut, mit lauter alten Nazis, sie konnten einfach in Pullach wohnen bleiben. Keine Bombe traf 1945 das beschauliche Örtchen im Isartal. Das Leben ging bruchlos weiter. Heute ist der Münchner Villenvorort die sechstreichste Gemeinde Deutschlands. Wohlstand und feiste Unbekümmertheit springen einem dort nur so entgegen, Mahnmale zur Tätergeschichte des Ortes sucht man vergebens. Man möchte wetten, dass die meisten Pullacher im festen Glauben leben, der Krieg sei vor 70 Jahren gewonnen worden. Sie haben keinen Anlass, anderes zu denken. Sie haben es vom Pistolenkrebs gelernt: Wer besonders viel Krach macht, hängt am besten sein Gehör aus.