Die Fifa sorgt für Verschwörungstheorien

Zionistischer Militäreinsatz gegen die Fifa

Im Fall der US-Ermittlungen gegen führende Fifa-Funktionäre grassieren viele Verschwörungstheorien. Die Bereitschaft, auf Satire hereinzufallen, ist groß.

Die Fakten, die zur Verhaftung von bis zum Montag sieben Fifa-Funktionären und zu Ermittlungen gegen eine unbekannte Anzahl weiterer hochrangiger Mitglieder des Weltfußballverbands führten, sind nicht erst bekannt, seit die US-Anklagebehörden vergangene Woche eine Pressekonferenz gaben. Weit interessanter ist es schon, sich die Reaktionen der Beschuldigten und der üblichen Verschwörungstheoretiker anzuschauen.
Am lustigsten ist das, was Jack Warner, Geschäftsmann und Politiker aus Trinidad und Tobago und bis 2011 Fifa-Vizepräsident sowie Präsident der nord-, zentralamerikanischen und karibischen Fußballkonföderation (Concacaf), sich am Wochenende zu seiner Rechtfer­tigung einfallen ließ.
In einem – später wieder gelöschten – Video hatte Warner sich gegen Korruptionsvorwürfe wehren wollen und dazu ausgerechnet einen Artikel der US-Satireseite »The Onion« benutzt.
Warner, dessen ebenfalls unter Korruptions- und Bereicherungsverdacht stehende Söhne mit den US-Anklagebehörden zusammenarbeiten, hatte sich nach Bekanntwerden des amerikanischen Haftbefehls gegen ihn den Behörden in Trinidad und Tobago gestellt. Und obwohl Daryan und Daryll Warner bereits weitgehend gestanden haben, sieht der 68jährige sich nicht nur als verfolgte Unschuld, sondern auch als Opfer finsterer Mächte. Und da kam ihm der Artikel wohl gerade recht.
Unter der Überschrift »Fifa kündigt Sommer-WM 2015 in den USA an« hatten die Satiriker geschrieben, dass der Weltfußballverband das Event eilig angesetzt habe, um die US-Regierung zu beruhigen, und Sepp Blatter mit folgenden Worten zitiert: »Wir sind begeistert, nunmehr verkünden zu können, dass die WM zum ersten Mal in 21 Jahren nach Amerika zurückkehren wird, der offizielle Anstoß wird heute in Los Angeles, um 17 Uhr lokaler Zeit, erfolgen.«
Auf einer überraschend angesetzten Pressekonferenz, so »The Onion« weiter, habe Blatter unter dem offenkundig in letzter Minute erstellten WM 2015-Logo, »einem handgemalten Strichmännchen, das einen Fußball kickt«, über das jemand schnell noch mit einem schwarzen Filzstift »USA 2015!« gemalt habe, weiter gesagt: »Wir bei der Fifa sind alle sicher, dass die WM 2015 ein riesiger Erfolg wird, und dass Millionen Fans aus aller Welt in nur wenigen Stunden zusammenkommen werden, um diese wunderbare Fußballpräsentation in den kommenden Wochen zu feiern.«
Im Schlusssatz des Artikels hatte »The Onion« außerdem den aktuellen Spielstand im Eröffnungsspiel geschildert, wonach die USA gegen Titelverteidiger Deutschland nach nur drei Minuten durch zwölf Elfmeter schon ziemlich uneinholbar in Führung gegangen seien.
Vermutlich hatte Jack Warner sich den Text, den er in seinem Video ausgedruckt in die Kamera hielt, gar nicht zu Ende durchgelesen, so begeistert war er davon, endlich einen handfesten Beweis für die große Verschwörung finsterer Mächte gefunden zu haben.
»Das alles kommt nur durch die gescheiterte Bewerbung der USA, die WM auszurichten«, erzählte der Funktionär seinen Zuschauern, die er über Youtube und Facebook mit seinem Video überzeugen wollte. Der US-Verband habe nämlich gegen Katar verloren, »ein kleines Land, ein arabisches Land, ein muslimisches Land«, und wolle sich für diese Schmach nun rächen, indem man wahllos Fifa-Funktionäre verhaften lasse. Er persönlich könne ja die Enttäuschung der Amerikaner verstehen, sagte Warner, aber er rate, die Niederlage »wie ein Mann zu tragen«.
Anschließend hielt er wieder den Artikel von »The Onion« in die Kamera, während er die USA beschuldigte, heuchlerisch zu sein: »Die Sommer-WM 2015 von der gleichen Organi­sation zu akzeptieren, die man eben noch beschuldigte, korrupt zu sein – wenn das mal nicht zweierlei Maß ist.«
Schon ein paar Tage zuvor wollte Jack Warner ausgemacht haben, wer in Wirklichkeit hinter den Korruptionsermittlungen stecke. In einem Brief an den Trinidad Guardian kündigte er an, über die ganze Affäre auspacken zu wollen, und außerdem werde er enthüllen, wer an seinem Sturz Schuld sei: »Ich werde über den Zionismus reden, der der wichtigste Grund dafür ist, dass die Attacke auf Bin Hammam (ehemaliger Präsident der asiatischen Fußballkonföderation und seit 2011 wegen Korruption im Rahmen der WM-Vergabe nach Katar lebenslang von der Fifa gesperrt, Anm. d. Red.) und mich gestartet wurde.«
Was der Zionismus nun gegen ihn haben könnte und warum zu seinen Hauptinteressen ausgerechnet der Kampf gegen einen Fußballfunktionär gehören könnte, erklärte Warner bislang nicht – aber wie immer ist auch in diesem Fall kein Statement zu blöd, als dass es nicht umgehend deutsche Antizionisten auf den Plan rufen würde.
Das Verschwörungsportal »Alles Schall und Rauch« stellte bereits kurz nach den Verhaftungen fest: »Beim aktuellen Angriff auf die Fifa geht es nicht wirklich um Korruption. Die US-Justiz hat die Verhaftung der sieben Fifa-Funk­tionäre deshalb bei den Schweizer Behörden angeordnet, wegen der Abstimmung über die Aussetzung oder den Ausschluss von Israel.« Und das sei kein Zufall: »Damit der Ausschluss Israels Erfolg hat, müssen 75 Prozent der 209 FIFA-Mitglieder teilnehmen und die Mehrheit dafür sein.« Besonders verdächtig sei auch, dass die New York Times vorab einen Tipp erhalten habe und daher live von den Verhaftungen berichten konnte: »Der Tipp kam wohl von der US-Justiz oder von israelischer Seite. Wir wissen, diese Zeitung ist zu 100 Prozent pro Israel eingestellt, deshalb.«
Und wie immer, wenn ein Punkt klargemacht werden soll, fehlt auch diesmal der obligato­rische jubelnde, allerdings anonyme, Israeli nicht. »Ein israelischer Journalist frohlockte, als er die Nachricht über die Verhaftung der Fifa-Funktionäre hörte. Das wird die Weltpresse voll beschäftigen und von der Ausschlussabstimmung ablenken, sagte er. So ist es auch.«
Dass gerade mal sieben Leute zu verhaften an den Mehrheitsverhältnissen kaum etwas ändern dürfte, kam dem Autor »Freeman« vor lauter Begeisterung darüber, wieder einmal eine große zionistische Verschwörung aufgedeckt zu haben, nicht in den Sinn.
Allerdings: So ganz einig ist man sich in Verschwörungstheoretikerkreisen nicht, ob nun wirklich die Zionisten oder nicht am Ende bloß die USA finstere Absichten verfolgen: »Die USA lassen jetzt Fifa-Funktionäre weltweit verhaften und in US-Gefängnisse ausfliegen – wohl um Russland die WM 2018 absprechen zu lassen!!!« schrieb ein Facebook-User namens Ogi M. in einem mehrfach geteilten Beitrag.
Die WM in Russland zu verteidigen, sei jetzt sehr wichtig, lautet entsprechend der Grundtenor in einschlägigen Foren – und einige fielen prompt auf einen weiteren satirischen Artikel herein. Der New Yorker hatte dem US-Senator John McCain in einem Beitrag mit dem Titel »McCain regt Militärschlag gegen die Fifa an« unter anderem dieses Zitat in den Mund gelegt: »Manche Menschen respektieren einfach nur Stärke. Die Fifa muss die Stärke unserer Streitkräfte zu spüren bekommen.« Die USA müssten jetzt Truppen in die Schweiz entsenden und dazu die »gemäßigten Kräfte in der Fifa« mit einem Milliardenbeitrag unterstützen.
Die Empörung über den geplanten Schlag gegen den Weltfußball-Verband war riesig – nicht zuletzt auch deswegen, weil der deutsche Ableger der staatlichen russischen Nachrichtenagentur Sputnik.de am Montag einen Artikel darüber brachte: »Mit Panzern gegen Blatter? McCain fordert Militäreinsatz gegen Fifa«.
Der Text wurde nach einigen Stunden wieder gelöscht, Sputnik äußerte sich allerdings nicht weiter dazu, auf eine Satire hineingefallen zu sein. Verschwörungstheoretiker sind aber sowieso sicher, dass die Zionisten hinter der Löschung stehen.