Berlin Beatet Bestes. Folge 294.

Ab in die Versenkung

Berlin Beatet Bestes. Folge 294. Freddy Breck: Ohne Grenzen (1972).

Ohne Grenzen ist die Liebe/Ohne Grenzen ist die Freiheit/Ohne Grenzen wird die Welt – wird die Welt von morgen sein/Ohne Grenzen – alle Länder/Ohne Grenzen – alle Meere/Ohne Grenzen – für die Menschen, die sich versteh’n/Die Welt von heute – ist die Welt von gestern, doch die Welt von morgen – wird anders sein/Man kann den Glauben – uns daran nicht rauben/Mit ganzem Herzen steh’n wir dafür ein/Eines Tages – eines Tages ist es dann soweit/Ohne Grenzen – woll’n wir leben/Mit Verständnis und Vertrauen/Ohne Grenzen – und die Welt – und die Welt wird schöner sein/Alle Herzen – voller Hoffnung/Voller Hoffnung – auf die Zukunft/Voller Hoffnung – für die Menschen, die sich versteh’n«.
Vor kurzem stieß ich beim Sortieren einer Plattenkiste, die ich entsorgen wollte, auf diesen Song, dessen Thema überraschend aktuell klingt: eine Zukunft ohne Ländergrenzen. Vor allem die Zeile »Ohne Grenzen – alle Meere« scheint die Misere der Hunderttausende von Flüchtlingen zu thematisieren, die derzeit versuchen, Europa über das Mittelmeer zu erreichen oder sich anderswo auf der Flucht befinden. »Kein Mensch ist illegal« ist nur eine stärkere Form von »Ohne Grenzen – und die Welt wird schöner sein«. »Alle Herzen voller Hoffnung« klingt dagegen völlig antiquiert. Welche No-Border-Aktivisten wären heute noch so optimistisch, zu behaupten, sie wären »voller Hoffnung auf die Zukunft«?
Der idealistische Text stammt aus dem Jahr 1972. Damals war die Globalisierung noch nicht so weit fortgeschritten und in Europa wurden lauter seltsame nationale Identitäten gepflegt. So beschrieb »Ohne Grenzen – woll’n wir leben« wohl eher eine ferne, utopische Zukunftsvision als eine tatsäch­liche Forderung.
Der Text stammt nicht aus der Feder eines kommunistischen Barden, sondern vom Berliner Kabarettisten Klaus-Günter Neumann, auch verantwortlich für den Schlager »Jeder Staatsmann müsste Waldhorn blasen können« aus dem Jahr 1950. Der Schlagersänger Freddy Breck trägt »Ohne Grenzen« in einem seltsamen Stilmix aus Udo Jürgens und Heino vor.
Auf der A-Seite ist Brecks Top-Ten-Hit »Überall auf der Welt«, eine Pop-Version des »Gefangenenchors« von Verdi, zu hören. Die Produktion von »Ohne Grenzen« ist typisch für die frühen siebziger Jahre: soulige Bläser, eine Fuzz-Gitarre und den Refrain begleitet ein Frauenchor. Das klingt cooler, als es tatsächlich ist. Der Song rockt nicht und wurde nicht ganz ohne Grund nie wieder veröffentlicht. Wie im Übrigen große Teile des Katalogs des BASF-Labels, das von den vierziger Jahren bis 1976 vom gleichnamigen, weltweit größten Chemie-Konzern betrieben wurde. Wer diese Platte nicht selbst besitzt, kann das Lied nicht hören. Weder auf Spotify oder iTunes noch auf Youtube. Es existiert quasi nicht und ich weiß noch nicht mal, ob ich es auf meinem Blog poste. Denn so gut wie der Text ist der Song leider nicht.
Mein Name ist Andreas Michalke. Ich zeichne den Comic »Bigbeatland« und sammle Platten aus allen Perioden der Pop- und Rockmusik. Auf meinem Blog Berlin Beatet Bestes (http://mischalke04.wordpress.com) stelle ich Platten vor, die ich billig auf Flohmärkten gekauft habe.