Homoparasiten

Es ist gut und schön und beileibe nicht selbstverständlich, dass wir Homosexuelle für »unser bisschen Anderssein« (Max Goldt) seit Neuestem nicht mehr gehauen, an Leib und Eigentum bedroht werden, und deswegen möchte ich auch, wann immer ich irgendwo eine Regenbogenfahne hängen sehe, am liebsten einen Purzelbaum schlagen vor Freude. Kein Zeichen der Solidarität sollte gering geschätzt werden! Und auch, dass gestandene Heteromänner jetzt nicht mehr »Ih« und »Bäh« schreien, wenn man beim Bierrüberreichen versehentlich mal Körperkontakt hat, verstehe ich als ein »starkes Zeichen« (Claudia Roth). Andererseits gibt’s auch hier wieder eine Form der Überkompensation, die dringend geschimpft gehört und aufhören muss: parasitäre Bisexualität. Da liest man auf dem Facebook-Profil eines freundlichen jungen Mannes etwa »interessiert an Männern und Frauen«, und denkt sich, holla, da probier’ ich doch mal mein Glück, da hole ich doch den guten alten Charme vom Dachboden, puste die Flusen fort und poliere ihn auf Hochglanz. Nach fruchtlosen Stunden der Tändelei kommt dann heraus: Alles Lüge! Es handelt sich um einen stinknormalen Damenmann von der Straße. Wie er denn dazu käme, sich auf Facebook so darzustellen? Man müsse politisch ein Zeichen setzen, gegen Homophobie und so. Jetzt muss ich mich ungefähr eine halbe Minute zurückhalten, bevor ich mich höflich verabschiede, um zu Hause dann Blumen und Pralinen selbst zu verzehren. So geht’s doch nicht! Das ist ja Irreführung! Habe ich dafür so viel gekämpft, habe ich dafür drei Dutzend Zarah-Leander-Songs auswendig gelernt, damit ihr jetzt euren öden Social-Media-Profilen ein bisschen Bi-Würze verleihen könnt? Und euch sonnen könnt im Glanz der Toleranz? Solche Toleranz, liebe Freunde, wird ab sofort nicht mehr toleriert!