Legida geht auf Werbetour in die Provinz

Legida kann nicht singen

Die Sommerpause ist vorbei: Legida marschiert wieder, sucht die Nähe zur »Identitären Bewegung« und expandiert ins Leipziger Umland.

Satire darf bekanntlich alles. Ob Satire auch alles kann, ist eine andere Frage. Wenn beispielsweise der Anführer einer politischen Bewegung wie der »Legida – Gemeinsam für Deutschland«, die für den »Schutz und Erhalt unserer Kultur und Sprache« eintritt, minutenlang hilflos auf der Bühne steht, weil offenbar niemand textsicher die Nationalhymne singen kann, dann vermag selbst die beste Satire dies nicht zu übertreffen. Genau das war am Montag vergangener Woche in Leipzig passiert. Niemand aus der Runde der Redner und Organisatoren der Legida-Kundgebung konnte die dritte Strophe der deutschen Nationalhymne intonieren, so dass schließlich der als Zuschauer anwesende neurechte Verleger Götz Kubitschek kurzerhand aushelfen musste.

Anderthalb Monate hatte der Leipziger Ableger der »Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes« zuvor auf Kundgebungen verzichtet. In dieser »Sommerpause« sorgte Legida zwar weiterhin für Schlagzeilen, jedoch ohne eigenes Zutun. Erst distanzierte sich die Universität von einem Mitarbeiter, der Anfang Mai auf der Bühne gegen Schwarze und Muslime gehetzt hatte. Dann zog die Stadtverwaltung nach heftigen Protesten einen Text unter dem Titel »Legida und antifaschistische Gruppen an einem Tisch« zurück, in dem der Vorschlag gemacht wurde, die rassistischen Demonstranten und ihre Gegner sollten einen »Dialog« beginnen. Hinterher hieß es, es habe sich um einen »internen Fehler« gehandelt.
Mitte Juni fand Legida schließlich den Weg zurück auf die Straße, wie gewohnt begleitet von 400 überwiegend älteren, wütenden Herren. Silvio Rösler, bisheriger Organisator, übergab die Aufgabe gleich zu Beginn an Markus Johnke, der schon bei den »Montagsmahnwachen« im vergangenen Jahr zum Führungspersonal zählte. Rösler kündigte in seiner Abschiedsrede an, gemeinsam mit Organisationen wie der German Defence League und dem »Widerstand Ost/West« gegen »dieses System« kämpfen zu wollen – letztere will dies im September ausgerechnet in Leipzig tun.
Dass er jedoch zugleich den eingetragenen Legida-Verein verließ, passte nicht ins Bild eines einvernehmlichen Wechsels. Zudem teilte Legida anschließend auf Facebook ein Video des ehemaligen Pressesprechers Jörg Hoyer und lobte dessen »ehrliche und sehr wichtige Worte«. Hoyer bezeichnete darin Ester Seitz, eine Führungsfigur des »Widerstand Ost/West«, als »Karrieristin und Selbstdarstellerin« und warnte vor Rösler: »Außer heißer Luft und viel Alkohol ist hinter diesem Mann nichts.« Hoyer zufolge »hat man sich von dieser Person getrennt«.
Auch inhaltlich zeigt sich Legida widersprüchlich: Während Johnke kürzlich in einem drohenden Krieg mit Russland noch das größte Problem sah, konnten Anhänger auf Facebook unter der Überschrift »Geschichtsfälschungen/Schuldkult« derweil einen Ausschnitt aus dem revisionistischen Film »Geheimakte Heß« sehen. Darin werden die vermeintlichen Friedensbemühungen Hitlers zu Beginn des Zweiten Weltkriegs thematisiert. Als Beleg für Theorien dieser Art präsentierte Legida ein Zitat des ehemaligen iranischen Präsidenten und Holocaust-Leugners Mahmoud Ahmadinejad.

Zudem traten bei Legida nach der »Sommerpause« erstmals die »Identitären« öffentlichkeitswirksam in Erscheinung, eine weitere neurechte, rassistische Bewegung mit Anschluss ans offen rechtsextreme Spektrum – wie etwa der Auftritt Tony Gerbers zeigt, des bekanntesten Funktionärs der sächsischen »Identitären«. 2009 wollte er mit Hilfe der NPD in den Zwickauer Stadtrat einziehen. Nun sprach er bei Legida über den »großen Austausch«, in dessen Zuge die einheimische Bevölkerung bald von Einwanderern ersetzt werde. Wiederholt vorgetragene Sätze wie »Wir wollen nicht, dass Deutsche zur Minderheit im eigenen Land werden« finden sich wortwörtlich auch in Musterreden der NPD.
Legida will jedoch nicht nur mit anderen Gruppen zusammenarbeiten, sondern auch expandieren – zunächst in Kleinstädte im Leipziger Umland, um dann in zwei Jahren in irgendeiner noch nicht näher erklärten Form Einfluss auf die Bundestagswahl zu nehmen. So zumindest hielten Pegida und Legida es im April in einem »Agenda 2017« genannten Strategiepapier fest. Bislang tauchte Legida jeweils einmal in Eilenburg und Wurzen auf, jedoch nahezu unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Wurzen galt vor allem in den neunziger Jahren als ostdeutsche Nazihochburg. 2005 verübten Rechtsextreme dort einen Bombenanschlag auf das Büro des Netzwerks für Demokratische Kultur. Derzeit ist die Stadt vor allem wegen des bundesweit nachgefragten Neonaziversands »Front Records« bekannt.
Genau wie in Wurzen könnte Legida auch in Eilenburg versuchen, Anschluss an Kundgebungen gegen die Unterbringung von Flüchtlingen zu finden. Dort hatte der NPD-Stadtrat Paul Rzehaczek im März eine solche Demonstration angemeldet. Er ist seit Oktober 2012 zudem Vorsitzender der sächsischen Parteijugend und soll sich am Angriff auf eine DGB-Kundgebung in Weimar am 1. Mai beteiligt haben. Mit 60 Teilnehmern war der Auftritt von Legida in Eilenburg am Montag jedoch äußerst kläglich.

Ein weiteres Ziel der rassistischen Aufmärsche ist Borna. Die 20 000 Einwohner zählende Stadt südlich von Leipzig machte zuletzt durch die Verhaftung eines Führungsmitglieds der rechtsextremen Terrorvereinigung »Oldschool Society« Schlagzeilen. Was Legida mit dem Ausflug aufs Land bezweckt, ist naheliegend. »Sie wollen versuchen, die Leute wieder zu mobilisieren, die früher mal zu ihnen nach Leipzig gefahren sind«, vermutet Marcel Nowicki von der Onlineplattform »No Legida«. Er ist sich jedoch sicher: »Das wird nichts.«