Zelt und Welt

Leere Landschaften. Morgens halb zehn in Deutschland: Niemand ist da. Weder auf den Landstraßen noch in den Wäldern, weder in den zahllosen Örtchen noch an den Seen. Gegen Mittag wird es langsam unheimlich, nicht ein Braungebrannter mit ambitioniertem Bierbauch ist in seinem Garten dabei zu beobachten, wie er den Grill fachgerecht anfeuert. Niemand sprengt den Rasen, niemand poliert sein Auto. Mit anderen Worten: Hoch Annelie hat dafür gesorgt, dass mitten in diesem Land ein Idyll für diejenigen entstanden ist, die beharrlich gegen die Deutschen wettern. Und das ausgerechnet in Mecklenburg-Vorpommern. Wo die Leute alle hin sind? An die Ostsee, um schnell sämtliche, also wirklich alle, Klamotten abzuwerfen und in die Fluten zu springen. Abends aber, da lässt sich die schroffe Schönheit des Landes wieder kompakt bestaunen. Auf dem Campingplatz nämlich, Deutschland en miniature. Inzwischen sind offenbar selbst die Hipster, Yuccis und wie sie alle heißen auf den Geschmack gekommen.   oko
Verlust auf Band
VHS. Speichermedien kommen und gehen, es verschwinden aber die wenigsten. Fast immer finden sich genügend Ewiggestrige und Nostalgiker, die den Kult um ihr Lieblingsmedium wie einen Orchideengarten pflegen. Ob auch die VHS-Kassette dieses Schicksal erwartet? 1976 von JVC vorgestellt, setzte sich VHS – das Video Home System – im Kampf um die Wohnzimmer gegen Betamax und Video 2000 durch. Miese Qualität, verlustreich noch dazu. Aber egal: So ein bisschen konnte man sich doch vom quälenden Joch des Fernsehprogramms befreien. Spätestens mit der Jahrtausendwende wurde die VHS-Kassette von der DVD verdrängt und dürfte bald nicht einmal mehr ein Nischendasein fristen. Die angeblich »weltweit allerletzten erhältlichen Bänder« wurden von der deutschen SK GmbH & Co. KG erstanden und sollen – »solange der Vorrat reicht« – verkauft werden. Ende des Jahres könnte es soweit sein. Der schwarzen Schönheit muss keine Träne nachgeweint werden. Das wiederum ist fast etwas traurig.   oko
Two Steps Back
Gendern. »Wir brauchen mehr Sebastian Zideks, die sich wehren«, meint Birgit Kelle in der Jungen Freiheit. Er sei ihr »Held der Woche«, schreibt die Autorin von »Gender-Gaga. Wie eine absurde Ideologie unseren Alltag erobern will«, denn er habe vorgemacht, »wie man dem Gender-Unsinn an deutschen Universitäten am besten begegnet«. Zidek, Student des Verkehrswesens an der Technischen Universität Berlin, empfand die Richtlinien eines Seminars, in denen es hieß, eine »gendersensible Sprache« werde »in einer wissenschaftlichen Arbeit erwartet«, offenbar als nicht hinnehmbar. Heise zufolge wandte er sich an die entsprechende Lehrkraft, die ihm antwortete, das Gendern sei »eine Vorgabe seitens der TU Berlin«, deren Nichtberücksichtigung ­einen Punktabzug zur Folge habe. Die Rechtsabteilung der Universität hingegen teilte Zidek mit, eine solche Vorgabe existiere nicht. Welch ein Erfolg, endlich wieder so tun zu dürfen, als habe sich seit 100 Jahren nichts geändert.   oko
Erzwungenes Ende
Damon Albarn. Das Set wollte kein Ende nehmen. Und das im ­Rahmen eines Musikfestivals, einer Veranstaltungsform also, die Kultur am formvollendetsten zu verwalten weiß. Beim Roskilde-Festival trat Damon Albarn, Sänger von Blur und Kopf der Gorillaz, mit dem Musik-Kollektiv Africa Express auf – und wer weiß, vielleicht würde er noch immer auf der Bühne stehen, wenn er nicht entfernt worden wäre. »Wenn das Publikum mehr will, soll es mehr bekommen«, sagte Albarn. Als er nach fünf geschlagenen Stunden »Should I Stay or Should I Go« von The Clash anstimmte, griff die Security zu. Albarn wurde gepackt, geschultert und hinfortgetragen. Respekt gebührt seiner Ausdauer.   oko