Die Solikampagne für den Bremer Ultra Valentin

Die einen im Stadion, die anderen im Knast

Ein Bremer Ultra sitzt nach einer Auseinandersetzung mit Hooligans in Untersuchungshaft. Nun gibt es eine antifaschistische Solidaritätskampagne.

Drei Monate ist es her, dass es am Rande des Nordderbys zwischen dem SV Werder Bremen und dem Hamburger SV zu Auseinandersetzungen zwischen linken Bremer Ultras und rechten Bremer Hooligans kam. Seit jedoch am 1. Juli der 21jährige Ultra Valentin festgenommen wurde, steht das Thema wieder auf der Tagesordnung.
Valentin, der inzwischen in der JVA Oslebshausen einsitzt, soll am 19. April zusammen mit acht Mittätern nach dem Spiel einen Hooligan angegriffen haben. Der Vorwurf lautet auf gemeinschaftlich begangene gefährliche Körperverletzung. Dass es eine solche Auseinandersetzung gegeben hat, belegt ein Handyvideo, das im Internet kursiert. Wie es dazu kam und wie sie zu bewerten ist, daran scheiden sich die Geister.

Das extrem rechte Hooligan-Netzwerk »Gemeinsam-Stark Deutschland« spricht von einer »feigen Attacke von linken Chaoten«, wobei offen bleibt, wie nahe der Betroffene selbst extrem rechtem Gedankengut steht. Politisch aufgefallen sei er bisher nicht, heißt es aus Szenekreisen. Dass die Bremer Hooliganszene sehr weit rechts steht, ist bekannt. Wer ein Problem mit Neo­nazis hat, wird sich kaum freiwillig dorthin begeben.
Für diejenigen, die unter dem Motto »Freiheit für Valentin – Gegen Nazis und Repression« Solidaritätsarbeit für den Inhaftierten betreiben, steht daher fest, dass es sich »keineswegs um Fußballkrawalle« handelte. Sie sehen eine klare »po­litische Dimension«. Vor allem aber ging aus ihrer Sicht die Gewalt nicht von den Ultras aus. Diese Sicht wird von der Taz gestützt, die unter Berufung auf drei Zeugen berichtete, dass zunächst Hooligans Ultras angegriffen haben und nicht umgekehrt (Jungle World 19/2015).
Auch die Staatsanwaltschaft Bremen scheint nicht von unpolitischen Fußballkrawallen auszugehen. »Wir halten den Festgenommenen für ­einen politisch motivierten Gewalttäter«, sagt deren Pressesprecher Frank Passade. »Strafrechtlich gesehen spielt das allerdings keine Rolle.« Valentin werden noch vier weitere gemeinschaftlich begangene Körperverletzungen vorgeworfen, die er binnen eines Jahres begangen haben soll. Unter anderem soll er in Rostock bei Protesten gegen eine NPD-Demonstration einen Stein geworfen und einen Pressefotografen verletzt haben. Valentin neige dazu, »wo er auf Rechtsgesinnte trifft, diese anzugreifen«, so Passade.

Für die antifaschistische Szene ist klar, dass an Valentin »ein Exempel gegen politisch motivierte Gewalt statuiert werden soll«, wie es in einer Solidaritätsbekundung heißt. Nicht zuletzt deswegen hat es bereits Solidaritätsaktionen an zahlreichen Orten gegeben – die spektakulärste sicherlich im Rahmen der Tour de France, auf deren Strecke für die Fernsehkameras deutlich sichtbar »Free Valentin« auf die Straße gemalt stand.
Kritik gibt es auch am Vorgehen der Polizei. »Im Mittelpunkt der Aufklärung sollte der Auslöser der Eskalation stehen«, meint Wilko Zicht, der innenpolitische Sprecher der grünen Bürgerschaftsfraktion, und bezieht sich dabei auf den Angriff rechter Hooligans, von dem auch die Taz spricht. Stattdessen wird offenbar primär gegen Ultras ermittelt. Auch scheint fragwürdig, warum die Polizei, als sie kurz nach diesem Angriff die Straße Osterdeich räumte, die Ultras in Richtung auf des Verdener Ecks drängte, genau dorthin, wo die Hooligans sich aufhielten. Wenig Beachtung in der Diskussion fand bisher, dass die Mehrzahl der Ultras, die vor dem Verdener Eck angegriffen wurden, nur deshalb nicht im Stadion gewesen sein soll, weil sie ein bundesweites Stadionverbot haben. »Diese von der Bremer Polizei veranlassten Stadionverbote haben so die Vorfälle überhaupt erst ermöglicht«, sagt Zicht. »Und sie sorgen jetzt dafür, dass selbst während der Spiele die Hooligans Jagd auf die Ultras machen.« In der öffentlichen Debatte werden die Stadionverbote kaum hinterfragt. Stattdessen denkt die Bremer Polizei laut über Bereichsbetretungsverbote nach – für die Ultras freilich, nicht für die polizeibekannten und zum Teil seit Jahrzehnten aktiven Neonazis der Bremer Hooliganszene.