Das Nuklearabkommen mit dem Iran ändert nichts an der Politik der Mullahs

Mehr Massaker

Nach dem Abschluss des Nuklearabkommens mit dem Iran droht die weitere Eskalation der konfessionalisierten Stellvertreterkriege in der Region.

Für Abu Yasser, einen Milizionär der islamistischen al-Jabha-al-Shamiya-Brigade, die im Norden Syriens das Assad-Regime bekämpft, bedeutet der Iran-Deal »mehr barrel bombs, mehr Massaker und mehr Blutvergießen überall in Syrien«. Und er dürfte wissen, wovon er spricht. Schließlich war es der angeschlagene syrische Präsident, der als einer der ersten allen Beteiligten zum Abschluss des Abkommens gratulierte und in einem Brief an den obersten iranischen Revolutionsführer Ali Khamenei seiner Hoffnung Ausdruck verlieh, dass fortan noch mehr Unterstützung aus dem brüderlichen Iran nach Syrien fließen werde. Neben der libanesischen Hizbollah schickten umgehend auch die im Jemen kämpfenden und mit dem Iran verbündeten Houthi-Milizen ihre Glückwünsche in die iranische Hauptstadt. Sollten die Sanktionen bald gelockert werden und dann ganz fallen, wird Teheran über zusätzliche Milliarden in seiner Kriegskasse verfügen, um seine Alliierten in der »Achse des Widerstands« noch großzügiger zu alimentieren.
Was das für die Menschen in Syrien, dem Irak und Jemen heißt, ist nicht nur Abu Yasser klar. Die konfessionalisierten Stellvertreterkriege in der Region werden wohl noch blutiger und brutaler geführt werden. Für die arabischen Golfstaaten, aus denen noch immer das meiste Geld an die syrische Opposition fließt, ist der Iran-Deal schlicht ein »Pakt mit dem Teufel«, der, so Salman Aldosary, Herausgeber der saudisch finanzierten Zeitung al-Sharq al-Awsat, die »Tore der Bösen« zu öffnen drohe.
Man werde nun, schrieb in der Washington Post der ehemalige saudische Botschafter in Washington, Prinz Bandar bin Sultan, ohne den ältesten Verbündeten – gemeint sind die USA – in der Region die »lokale Kapazitäten konsolidieren«. Das heißt, dass Saudi-Arabien, aus dessen Sicht die USA sich de facto mit dem Iran verbündet haben, nun alles unternehmen wird, um den Einfluss Teherans in der Region zurückzudrängen. Mehr Geld wird an die syrischen Rebellen fließen, der Krieg im Jemen intensiviert werden und es dürfte einmal mehr egal sein, welche Agenda die jeweiligen Geldempfänger sonst noch verfolgen: Hauptsache, sie bekämpfen den Iran.
Dabei tritt aus saudischer Sicht die Bedrohung durch den sogenannten Islamischen Staat oder al-Qaida weiter in den Hintergrund, schließlich stehen beide Terrororganisationen zumindest nominell im antiiranischen Lager. Neben der Zivilbevölkerung zahlen wohl einmal mehr überall all jene Oppositionsgruppen den höchsten Preis, die ihr Geld nicht von Golfmonarchien erhalten und gar auf westliche Unterstützung gehofft hatten. Die Kriegskasse von Abu Yasser und seinen islamischen Mitkämpfern dagegen dürfte gefüllt bleiben. Gleichzeitig wird, die Drohung besteht schon seit längerem, Saudi-Arabien versuchen, ebenfalls an eine Atombombe zu kommen.
Denn im Nahen Osten weiß man aus langjähriger Erfahrung, dass, anders als es die Europäer und die US-Regierung in ihren Reden über Frieden und Stabilität beteuern, das iranische Regime wohl kaum moderater werden wird. Im Gegenteil. Wenn Khamenei in einer Ansprache nur Tage nach Abschluss des Abkommens seinen »Freunden in der Region« versichert, dass sich nichts an Teherans Politik ändern werde, dann, da ist man sich nicht nur in Israel, sondern auch unter sunnitischen Arabern sicher, meint er es auch so. Die Rufe »Tod Israel, Tod den USA«, die seine Ansprache erneut begleiteten, klingen dieser Tage deshalb auch in den Ohren vieler Araber bedrohlich, wissen sie doch, dass, noch lange bevor es zum offenen Krieg mit Israel kommen könnte, sie es sein dürften, die unter den Folgen des Nuklearabkommens leiden werden.