Unerwartet korrupt

Er galt irgendwie immer als Kumpel, als der einfache Arbeiter von nebenan. Manche machten sich elitär über seine mangelnden Englischkenntnisse und sein ungewohntes Auftreten lustig, doch blieb er immer ziemlich beliebt. Dass Luiz Inácio Lula da Silva nach mehreren Versuchen als Kandidat der Arbeiterpartei (PT) 2003 schließlich Präsident Brasiliens wurde, gab vielen Brasilianerinnen und Brasilianern Hoffnung, er wurde auch für eine zweite Amtszeit wiedergewählt. Es war endlich nicht mehr einer aus der Minderheit der Mächtigen und Reichen, der die Bevölkerung nun repräsentierte. Doch ganz ohne diese Minderheit geht es eben nicht, wenn man in Brasilien etwas erreichen will. Der ehemalige Gewerkschaftsführer Lula hat sich offenbar ein paar falsche Kumpel gesucht. Wie vergangene Woche bekannt wurde, hat die brasilianische Staatsanwaltschaft am 8. Juli gegen Lula Ermittlungen wegen illegaler Einflussnahme aufgenommen. Nach dem Ende seiner Präsidentschaft soll er zwischen 2011 und 2014 dem Bauunternehmen Odebrecht, einem der wichtigsten Konzerne des Landes, Aufträge in Lateinamerika und Afrika verschafft und sich für günstige Kredite durch die brasilianische Entwicklungsbank (BNDES) eingesetzt haben. Odebrecht soll Lula dafür mehrere Auslandsreisen bezahlt haben. Der Konzern bestreitet, dass es Unregelmäßigkeiten gegeben habe. Die Ermittlungen seien »ein absolut irreguläres, unerwartetes und ungerechtfertigtes Verfahren«, sagte Lula.
So überraschend dürfte das allerdings nicht sein. Seit über einem Jahr wird gegen Politiker und Unternehmer im Korruptionsskandal um den Ölkonzern Petrobras ermittelt. Die illegal abgezweigten Milliardenbeträge sollen auch Politikern verschiedener Parteien zugute gekommen sein, darunter der PT. Vor einem Monat wurden der Präsident von Odebrecht, Marcelo Odebrecht, sowie weitere Führungspersonen wichtiger Unternehmen wegen deren Verwicklungen in den Skandal verhaftet. Da wurde wohl auch gründlicher nach weiteren Unregelmäßigkeiten gesucht. Die brasilianische Rechte freut es, dass Lulas Image nun Schaden nimmt, fordert sie doch seit Monaten die Absetzung von dessen Nachfolgerin Dilma Rousseff und hetzt gegen den PT, auch wenn rechte Politiker mindestens genauso tief in Korruptionsskandale verwickelt sind. Einige andere müssen sich wohl nun einen neuen Hoffnungsträger und Kumpel suchen.