Die Wahlfarce in Burundi

Mit schlechtem Beispiel voran

Bei der Wahlfarce in Burundi setzte sich der bisherige Präsident Nkurunziza durch. In der Region könnte dies Schule machen.

Man muss nicht sonderlich gut in Mathematik sein, um die Glaubwürdigkeit der Präsidentschaftswahl von vergangener Woche im ostafrikanischen Burundi zu berechnen. Diese lässt sich, mathematisch ausgedrückt, als »unendlich klein und gegen null tendierend« bezeichnen. Offen hingegen ist die Frage, welche kurz-, mittel- und langfristigen Folgen die Wahl haben wird. Am Dienstag beriet der UN-Sicherheitsrat in geheimer Sitzung über die Lage nach der Wahl in Burundi.
Der Amtsinhaber Pierre Nkurunziza hatte alles darangesetzt, unter Verletzung der internationalen Abkommen von Arusha, die nach zwölfjährigem Bürgerkrieg im Jahr 2005 den Waffenstillstand besiegelten, und der bisherigen Verfassung zu seiner Wiederwahl anzutreten (Jungle World 19 und 21/2015). Trotz wochenlanger heftiger Unruhen, in deren Verlauf mindestens 80 Menschen vorwiegend durch Schusswaffeneinsatz starben und 160 000 Flüchtlinge in den Nachbarländern registriert wurden, hat er sich damit durchsetzen können. Zumindest vorläufig.
Am Dienstag vergangener Woche fand die Präsidentschaftswahl statt, die im Vormonat zunächst um etwa vier Wochen verschoben worden war. In der Nacht vor der Öffnung der Wahllokale kam ein Polizist in Mutakura ums Leben, in Nyakabiga wurde ein Zivilist erschossen. Am Vormittag des Wahltags gab es mehrere Explosionen. Die Beobachtermissionen der Ostafrikanischen Gemeinschaft (EAC) und der Vereinten Nationen urteilten im Nachhinein offiziell, die Bedingungen für eine freie, geheime und faire Wahl seien nicht erfüllt. Ähnliches geht aus einer Presseerklärung von Federica Mogherini im Namen der Europäischen Union sowie aus einer Stellungnahme der Organisation französischsprachiger Staaten hervor. Die Wahlbeobachter der Afrikanischen Union (AU) waren zu spät eingetroffen, um den Ablauf der Wahl in Gänze beobachten zu können.

Offiziell traten acht Kandidaten zu der Präsidentschaftswahl an. Drei von ihnen standen jedoch auf dem Wahlzettel, obwohl sie drei Tage vor der Wahl auf einer Pressekonferenz bekannt gegeben hatten, dass sie nicht an ihr teilnehmen würden, weil sie »nicht den internationalen Normen entspricht« und keine Garantien für einen fairen Ablauf biete. Es handelte sich um Jean Minani, den Vorsitzenden der Oppositionspartei Demokratische Front Burundis (FRODEBU), sowie die beiden früheren Staatsoberhäupter Domitien Ndayizeye und Sylvestre Ntibantunganya.
Die drei verfassten zusammen einen Brief an die Unabhängige Nationale Wahlkommission (CENI), die den Verlauf der Wahl zu überwachen hatte, und erklärten ihren Rückzug. Die CENI antwortete darauf jedoch prompt, ihr Kandidaturverzicht sei nicht auf formal korrekte Weise erfolgt, die drei Bewerber müssten gegen ihren Willen antreten.
Ihre jeweiligen Anhänger dürfte dies jedoch kaum in die Wahllokale gelockt haben. Nach den offiziellen Ergebnissen, die kaum als vertrauenswürdig gelten dürfen, erhielten sie nur minimale Stimmenanteile: Jean Minani wurden 1,36 Prozent zugeschrieben, den beiden anderen Kandidaten, die sich zurückgezogenen hatten, Stimmenanteile im Promillebereich. In den Wochen zuvor waren die Vizevorsitzenden sowohl der CENI als auch des Verfassungsgerichts und andere hohe Funktionsträger zurückgetreten und zum Teil außer Landes geflohen, weil sie die Wahlfarce nicht unterstützen mochten.
Zur Wahl standen neben dem Amtsinhaber und den drei widerstrebenden Kandidaten noch die Vorsitzenden von drei Kleinstparteien, die als Bündnispartner der regierenden Formation CNDD-FDD (Nationaler Rat zur Verteidigung der Demokratie – Kräfte zur Verteidigung der Demokratie) fungieren, sowie Agathon Rwasa als gewichtigster Gegenkandidat zum amtierenden Präsidenten.
Nach den amtlichen Zahlen erhielt der bisherige Amtsinhaber Nkurunziza 69,41 Prozent der abgegebenen Stimmen und Rwasa 18,99 Prozent. Letzterer wurde dadurch zum offiziellen »Oppositionsführer« und wichtigsten Verhandlungspartner der Regierung aufgebaut. Die Wahlbeteiligung lag angeblich bei 73,44 Prozent. Eine Behauptung, die den Fakten spottet. Allen verfügbaren Berichten zufolge, die nicht aus amtlicher Quelle stammen, waren die Wahlbüros vielerorts weitgehend leer.
Agathon Rwasa, ebenso wie Staatspräsident Nkurunziza ein wiedergeborener Christ, ist der Anführer der »Kräfte für nationale Befreiung« (FNL). Es handelt sich dabei um eine Formation von Hutu-Nationalisten, die im Bürgerkrieg der Jahre 1993 bis 2005 bewaffnet neben der derzeit regierenden Partei CNDD-FDD gegen die Tutsi-Minderheit kämpfte, die bis in die neunziger Jahre die Führungsschicht des Landes stellte. Ursprünglich war der Name der Organisation Palipehutu-FNL, das heißt Partei für die Befreiung des Hutu-Volkes-FNL. Als letzte bewaffnete Konfliktpartei legte sie erst im September 2006, über ein Jahr nach dem offiziellen Ende des Bürgerkriegs, die Waffen nieder. 2008 ergriff sie diese erneut, bevor im Dezember desselben Jahres ein Spezialabkommen mit ihr getroffen wurde. Damals legte sie den ersten Teil ihres Namens, Palipehutu, ab und wandelte sich zugleich offiziell in eine zivile politische Partei um.

Rwasa, den das Regime nunmehr zum offiziell wichtigsten Gegenspieler des Präsidenten aufgebaut hat, genießt in Teilen der Hutu-Bevölkerung eine Popularität, die nicht wie bei Amtsinhaber Nkurunziza durch Jahre der Machtausübung abgenutzt wurde. Rwasa verkündete am Wochenende zunächst, er erkenne die Ergebnisse der Präsidentschaftswahl nicht an und fordere Neuwahlen. Seit den Parlamentswahlen von Ende Juni, deren Ergebnisse ebenfalls als manipuliert gelten müssen, hat er einen Parlamentssitz inne.
Am Montag wurde bekannt, dass er bereit sei, seinen Sitz einzunehmen. Kurz zuvor war verlautbart worden, Präsident Nkurunziza akzeptiere die Forderung Rwasas, eine »Regierung der nationalen Einheit« mit dessen Anhängern zu bilden. Die Regierungsbildung dürfte dazu führen, dass eine parteienübergreifende Annäherung auf der Basis des Hutu-Nationalismus stattfindet.
Zugleich fürchten ausländische Beobachter, die Tatsache, dass Nkurunziza sich über Widerstand und Gewalttätigkeiten hinweg- und seine Wiederwahl durchsetzte, sei ein schlechtes Beispiel für die gesamte Region. In den Nachbarstaaten Ruanda, Demokratische Republik Kongo (DRK) und Kongo-Brazzaville hegen die Präsidenten ebenfalls Pläne, die Verfassungen ändern zu lassen, um für ein bislang erneutes Mandat kandidieren zu können.
In Burundi, Ruanda und der DRK sind Präsidenten an der Macht, die aus bewaffneten Rebellionen hervorgingen. Rwandas Präsident Paul Kagamé und seine »Ruandische Patriotische Front« (RPF) genießen insofern eine gewisse Legitimität, als sie 1994 dem dortigen Völkermord von Hutu-Rassisten an den Tutsi bewaffnet ein Ende setzten. Aber auch Kagamé, der seit 1994 zunächst als Vizepräsident und Verteidigungsminister autoritär regierte und bereits 2003 und 2010 zum Präsidenten gewählt wurde, will eine verfassungsrechtlich nicht erlaubte dritte Amtszeit. Am 14. Juli genehmigte das Parlament diesen Plan, die US-Regierung sprach sich soeben dagegen aus. In den beiden Kongo-Staaten halten sich kleptomanische Autokraten an der Macht, die sich ein Vorbild an den Verfassungsmanipulationen und erneuten Kandidaturen nehmen möchten. Die Region dürfte nicht so schnell zur Ruhe kommen.