Broden Giambrone im Gespräch über Transgender-Gesetze in Irland

»Es findet ein starker Wandel statt«

Das katholische Irland scheint sich langsam zu öffnen. Nachdem in einem Referendum im Mai die Mehrheit für die Legalisierung der gleichgeschlechtlichen Ehe gestimmt hatte, verabschiedete das irische Parlament am 15. Juli ein neues Gesetz zur Anerkennung der Geschlechtsidentität. Transpersonen in Irland können die Eintragung des Geschlechts auf der Geburtsurkunde nun ändern lassen, ohne zuvor zu einem Arzt gehen zu müssen, ein psychologisches Gutachten und geschlechts-angleichende medizinische Maßnahmen sind für die Änderung nicht mehr notwendig. Vorbilder für diese Gesetzesänderung sind Argentinien, Dänemark, Malta und Kolumbien. Broden Giambrone ist Geschäftsführer des Transgender Equality Network Ireland (TENI), das diese Entscheidung begrüßt und sich für eine Gesetzesänderung eingesetzt hat. Mit ihm sprach die Jungle World über die Situation von Transpersonen in Irland und ihren langen Kampf um Anerkennung.

Waren vor der kürzlichen Änderung der Gesetzeslage in Irland bereits Namensänderungen in Ihrem Land möglich?
Ja. Es war recht einfach, den Namen mit Hilfe einer selbstverfassten Erklärung zu ändern. Das Problem war der Geschlechtseintrag auf der Geburtsurkunde. Obwohl es möglich war, diesen auf dem Personalausweis zu ändern, galt das nicht für die Geburtsurkunde. Seit Irland 1950 das europäische Menschenrechtsabkommen unterzeichnet hat, gab es praktisch permanent Gesetzesverstöße zu verzeichnen. Denn eine Regelung für Transpersonen gab es einfach nicht. Das bedeutete, dass ihre Dokumente voneinander abweichende Einträge aufwiesen. Auf dem Personalausweis stand dann zum Beispiel ein F für female und auf der Geburtsurkunde ein M für masculine, was bei öffentlichen Institutionen zu vielen verqueren Situationen führte. Immer wieder musste man sich als Transperson öffentlich outen und bekam Schwierigkeiten.
Der Präzedenzfall der Transaktivistin Lydia Foy hat maßgeblich zur Gesetzesänderung beigetragen. Wie ist ihre Geschichte?
1993 wollte Lydia Foy das erste Mal ihren Geschlechtseintrag auf der Geburtsurkunde ändern lassen. Sie wurde bei ihrer Geburt als Mann identifiziert, selbst bezeichnet sie sich jedoch als Frau, was sie auch auf ihrer Geburtsurkunde verzeichnet haben wollte. 1997 nahm sie das erste Gerichtsverfahren in Angriff, das sie jedoch verlor. Immer wieder ist sie in Berufung gegangen, bis sie 2010 das Verfahren gewinnen konnte. Wichtig ist, dass sie großen Druck auf die irische Regierung ausgeübt hat. Im Jahr 2008 hat sie sich vehement auf Paragraph 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention berufen. Ohne sie wären wir nicht da, wo wir gerade sind. Sie hat 22 Jahre auf einen korrekten Eintrag auf ihrer Geburtsurkunde gewartet und innerhalb der nächsten Monate wird sie ihn in den Händen halten können.
Welche anderen Akteure haben eine wichtige Rolle in diesem Prozess gespielt?
Zum einen sind da Sozialministerin Joan Burton und ihr Staatssekretär Kevin Humphreys zu nennen, die sich mit der Registrierung von Geburten befassen. Sie haben das Gesetz unterstützt. Zum anderen haben die Mitglieder von TENI in den vergangenen vier, fünf Jahren sehr aktiv Lobbyarbeit betrieben. In gezielten Kampagnen sind wir persönlich auf geschätzt 50 Politikerinnen und Politiker zugegangen.
Wieso ereignet sich dieser Wandel gerade jetzt?
Zum einen haben Lydia Foys Gerichtsverhandlungen und die TENI-Kampagnen einen erheblichen Druck auf die Regierung ausgeübt und zum anderen denke ich, dass es eine Frage des politischen Moments ist. Die Regierungskoalition, bestehend aus der Zentrumspartei Fine Gael und der linken Labour Party, steht gerade am Ende ihrer Regierungszeit. Die nächste Wahl ist Anfang nächsten Jahres. Beide Parteien haben bei ihrem Regierungsantritt versprochen, im sozialen Bereich große Änderungen vorzunehmen, wie zum Beispiel die Angleichung der Rechte der Homo-Ehe an die der Hetero-Ehe. Nachdem das durch das Referendum durchgesetzt worden ist, lag die Änderung der Transgender-Gesetze nahe. Ich hätte niemals gedacht, dass die Angleichung der Homo-Ehe über das Referendum Erfolg hat und sich die Rechte für Transpersonen so stark verbessern. An diesen Ergebnissen kann man sehen, dass in Irland ein starker gesellschaftlicher Wandel stattfindet. Symbolisch bedeutet das für Transpersonen in Irland, dass wir anerkannt werden, wie wir sein wollen.
Das neue Gesetz zur Änderung der Geburts­urkunde schließt derzeit noch Intersexuelle und nicht-binäre Menschen unter 18 Jahren aus. Was sind die nächsten Schritte, die TENI hier gehen wird?
Es gibt noch eine Menge zu tun, aber wir sind schon nah am Kern der Sache. Auch wenn Intersexuelle theoretisch nicht benachteiligt werden, findet eine Diskriminierung auf der Ebene der Sprache immer noch statt. Auch sollte ein geschlechtsneutraler Eintrag auf dem Personalausweis möglich sein. Bezüglich der Rechte von Minderjährigen setzen wir uns gerade dafür ein, dass auch 16- und 17jährige bereits ihren Geschlechts-eintrag auf der Geburtsurkunde ändern lassen können.
Was würden Sie Transgender-Bewegungen anderer Länder empfehlen? Wie sollten sie vorgehen, um Ähnliches zu erreichen?
Jedes Land ist anders und politische Entscheidungsprozesse funktionieren unterschiedlich. In Irland ist der direkte Kontakt zu Politikerinnen und Politikern leicht herzustellen. Wir sind immer wieder auf sie zugegangen und haben unsere ­Situation geschildert. Ich denke, wenn man erst einmal eine Transperson persönlich kennt, kann man besser nachvollziehen, welche rechtlichen Voraussetzungen diese für ein gutes Leben braucht. Es ist auf jeden Fall hilfreich, immer wieder die persönlichen Geschichten zu erzählen und sich gegenseitig als Gemeinschaft zu bestärken. Außerdem ist es wichtig, Politikerinnen und Politiker auf geglückte Gesetzesreformen anderer Länder aufmerksam zu machen.