Der Rücktritt von Alexis Tsipras

Das neue Szenario

Der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras tritt zurück, Syriza spaltet sich.

Hoppla! Vorige Woche hat der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras seinen Rücktritt bekanntgegeben, vermutlich werden am 20. September Neuwahlen stattfinden. Bereits Syrizas Transformation von einer Partei, welche die Austeritätspolitik beenden sollte, zu einer, die – komme was wolle – diese Politik fortführt, hatte die internationale Linke, die ihre großen Hoffnungen innerhalb kürzester Zeit in Trümmern sah, ordentlich durcheinandergebracht. Was nur die wenigsten verstanden hatten: Schon seit Februar, seit der Zwischenübereinkunft Syrizas mit der sogenannten Troika aus Europäischer Zentralbank, Internationalem Wahrungsfonds und Europäischer Kommission, war klar, dass die einzigen Verhandlungen nicht zwischen den Repräsentanten der Euro-Zone und der griechischen Regierung, sondern zwischen der Führung Syrizas und den Parteimitgliedern stattgefunden haben. Inhalt der Gespräche war auch nicht, ob, sondern in welcher Form die Austeritätspolitik fortgesetzt werden solle, so dass die angeblichen Hardliner von Syriza und darüber hinaus die griechische Bevölkerung diese Fortsetzung akzeptieren würden.
Die sogenannten Hardliner schienen zunächst relativ schnell und kampflos aufzugeben, indem sie sich auf eine unsinnige Linie einigten: einerseits die Regierung zu unterstützen und gleichzeitig die Übereinkunft mit der Euro-Gruppe zu kritisieren. Doch für die Bevölkerung war diese Sachlage nicht so einfach zu akzeptieren. Als sie die Chance bekam, sich in einem Referendum für oder gegen die Fortführung der Austeritätspolitik auszusprechen, votierten überragende 62,3 Prozent mit »Nein«. Ein überraschendes Ergebnis. Trotz der Stärke der neoliberalen Ideologie, der zufolge es keine Alternative gebe, scheint die kontinuierliche Verschlechterung der Lebensbedingungen die Mehrheit verprellt zu haben – sogar wenn dies den Ausstieg aus dem Euro bedeuten würde.
Die Hardliner innerhalb Syrizas beschlossen daraufhin, sich von der Partei abzuspalten, und gründeten eine eigene Partei namens »Laiki Enotita« (Volkseinheit). Abgesehen von der Versicherung, sie verstehe sich als »Front gegen die Sparpolitik«, also sozusagen als Anwalt der 62 Prozent Nein-Stimmen, ist das »Programm« der neuen Partei ebenso inhaltsleer wie ihr Name. Eine mögliche Koalition mit Antarsya, einem Zusammenschluss einiger marginaler trotzkistischer und leninistischer Kleingruppen, wird daran nicht viel ändern. Die neue Partei dürfte den einstelligen Prozentbereich kaum überschreiten.
Gleichzeitig bleibt Syrizas Popularität, trotz der vollzogenen 180-Grad-Wende, weiterhin relativ hoch. Denn Syriza hat es geschafft, gleichzeitig auf die Unterstützer des Memorandums zu setzen und eine Aura um sich zu schaffen, derzufolge die Partei besser mit der Situation umgehen könne als alle anderen.
Doch dieses Szenario eröffnet Platz für die Goldene Morgenröte. Die Gerichtsverfahren gegen ihre Mitglieder scheinen sich zu einem Fiasko historischen Ausmaßes zu entwickeln. Die derzeit noch inhaftierten Neonazis dürften dann die Gelegenheit nutzen, ihre Anhängerschaft zu vergrößern, indem sie sich als Opfer von Verleumdung und falschen Anschuldigungen inszenieren und zugleich die Anti-Memorandum-Karte ausspielen. Nicht ausgeschlossen, dass sie als große Sieger aus dieser traurigen Geschichte hervorgehen.