Was soll das Ausland denken?

Zu den erstaunlicheren Seiten der Social-Media-Nutzer gehört ihr unbedingter Glaube an Machtworte von Politikern. Der äußert sich normalerweise so: Kaum ist irgendwo ein Skandal bekannt geworden, wird vehement gefordert, dass sich umgehend Minister Sowieso, Ministerpräsident Sowieso und am allerbesten auch gleich die Kanzlerin äußern sollen – ganz so, als sei das zugrundeliegende Geschehen dann gleich nach der Wortmeldung vorbei oder wenigstens nicht mehr ganz so schlimm.
Nach den Nazidemonstrationen im sächsischen Heidenau am Wochenende wird auf Twitter unter dem Hashtag #Merkelschweigt gefordert, die Bundeskanzlerin möge auf der Stelle ein Machtwort sprechen, und zwar interessanterweise auch von Leuten, die normalerweise ausgesprochen eklige Sachen über die Frau, die sie penetrant »Mutti« nennen, verbreiten. Der Grund dafür ist schnell ausgemacht: Man hofft, dass eine Stellungnahme der Chefin von Schland das Ansehen des Landes im Ausland wieder herstellt, denn man möchte »wieder stolz auf Deutschland« sein. Und womöglich glaubt man dazu auch noch wirklich, dass ein Statement der Bundeskanzlerin Nazis schwuppdiwupp dazu bringt, dann auf einmal lieber doch keine Nazis mehr sein zu wollen und die Sache mit dem Rassismus zu lassen. Wer weiß schon, was genau in den Köpfen von Leuten vor sich geht, denen Flüchtlinge eigentlich komplett egal sind, im Gegensatz zu dem, was »das Ausland von uns denkt«. Und nein, das Statement von Regierungssprecher Steffen Seibert, in dem »dumpfe Hassbotschaften« von »Rechtsextremisten und Neonazis« als »abstoßend« bezeichnet werden, reicht für endlich wieder ungebremst stolz sein wollende Deutsche nicht aus. Weil, was soll bloß das Ausland denken.