Trautes Heim

Liebt Theresa May ihren Job? Immerhin gilt sie als die zweitmächtigste Frau Großbritanniens. 2002 wurde sie die erste Generalsekretärin der Konservativen Partei, seit 2010 ist sie Innenministerin der konservativen Regierung von David Cameron. Doch die Liebe zu ihren Job ist zweitrangig; wichtig ist, dass sie sich vorbildlich in dem Land Arbeit gesucht hat, in dem sie aufgewachsen ist. Und Gründe, von dort zu fliehen, hatte sie bislang wohl kaum – abgesehen vielleicht von dem gegen sie gerichteten Mordaufruf, den ein britischer Kämpfer des »Islamischen Staats« im März per Twitter verbreitet hatte. Aber die britischen Sicherheitskräfte werden sie schon schützen, schließlich hat die 58jährige als Innenministerin selbst dafür gesorgt, dass sie vehement gegen Terrorismus vorgehen. Dennoch macht sich May Sorgen um ihr schönes Land – wegen der Zuwanderung. Es kämen zu viele Menschen, das belaste die öffentlichen Haushalte. Deswegen müsse der Zuzug entscheidend reduziert werden.
Arbeitslose EU-Bürger sollen gar nicht erst nach Großbritannien gelassen werden, forderte May am Wochenende. Denn Freizügigkeit bedeute »die Freiheit, zu einem Arbeitsplatz zu ziehen«, also zu einer Stelle, die man schon vorher hat. EU-Bürger, die vor Ort nach einem Job suchen und in der Zeit womöglich Sozialleistungen erhalten, das sei einfach zu belastend für Großbritannien. Aber auch von außerhalb der EU drohe Gefahr: Ausländische Studierende will May nach ihrem Abschluss rausschmeißen, wenn sie keine Arbeitsstelle vorweisen können, die einem akademischen Abschluss entspricht. Wer die ganzen schlecht bezahlten Jobs in der Pflege, im Baugewerbe und der Gastronomie dann machen wird, wenn das internationale Prekariat fehlt, verriet May nicht. Selbst der britische Industrieverband warnte vor dem Schaden für die Volkswirtschaft. Doch May geht noch weiter, Flüchtlinge gebe es auch zu viele. Die Schuld an den vielen Toten und der derzeitigen Krise gibt sie den fehlenden Binnengrenzen dank des Schengen-Systems, was nur »gefühllosen Banden« nütze. Dass Asylsuchende gerade beim Versuch sterben, Grenzen zu überwinden, steht für May offenbar nicht im Widerspruch dazu. Und die Errungenschaft der EU – zumindest für EU-Bürgerinnen und -Bürger – zu schätzen, dass man das Glück auch einmal fern des eigenen Nationalstaats suchen kann, kommt May erst gar nicht in den Sinn.