Es können nicht alle kommen

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Vollversammlung – so etwas ist ja nur in kleinen Systemen denkbar. Früher haben die Autonomen in Berlin »VVs« abgehalten, das ging. Und derzeit tagt die Vollversammlung der Europäischen Bischofskonferenzen in Jerusalem. Das scheint auch bewältigbar. Am 30. September ist Uno-Vollversammlung mit Schwerpunkt Flüchtlingsproblematik, da können dann aber sicher nicht alle kommen. Also weder alle Flüchtlinge noch alle Bewohner der 193 Uno-Mitgliedsstaaten. Es ist eher eine Vollversammlung der Oberhäupter.
Aber stellen Sie sich vor, Sie hätten nicht 193 Clubmitglieder, sondern eine Trillion. Ja, diese Zahl ist etwas unhandlich, zugegeben. Versuchen wir es so: Nehmen wir an, Sie würden 40 000 Euro im Jahr verdienen, dann müssten Sie 25 Millionen Jahre lang arbeiten, um eine Trillion Euro anzusparen. Vorausgesetzt, Sie geben nichts aus in dieser Zeit. Ihnen mangelt es an Vorstellungkraft? Anderes Beispiel: Wenn Sie bis eine Trillion zählen wollen – sagen wir, Sie zählen eine Ziffer pro Sekunde – und Sie würden gerne morgen fertig sein, dann hätten Sie 30 000 vor Christus anfangen müssen, also noch als Neandertaler sozusagen. Eine Trillion – das ist die Anzahl aller Tiere auf der Erde. Wenn die also eine Vollversammlung machen wollten, etwa um über die Annahme der Menschenrechte zu beraten, welche Tierrechtler ihnen zukommen lassen wollen – das ginge ja gar nicht! Sie müssten Delegierte wählen. Doch auch das wäre schwierig, denn es gibt über 1,3 Millionen Tierarten. Wo sollen die sich treffen? Die meisten müssten ja auch erst anreisen. Wie soll es ein Dreifinger-Faultier nach New York schaffen? Selbst wenn es sich schwer beeilt, braucht es vier Stunden für einen Kilometer. Von Zentralbrasilien bis New York sind es 9 000 Kilometer. Da bräuchte es über vier Jahre.
Sicher, für manch anderes Tier wäre das kein Problem. Die Küstenseeschwalbe etwa, die ist eh ein komisches Huhn: Sie brütet am Nordpol und überwintert am Südpol. Das heißt, sie fliegt jedes Jahr 40 000 Kilometer, um irgendwohin zu gelangen, wo es genauso aussieht wie Zuhause, nur mit Pinguinen statt Eisbären. Und dann gleich wieder zurück! On the road again. Im Grunde ist sie ständig unterwegs. Praktisch ist, dass sie sogar im Flug schlafen kann. Manche von uns können nicht einmal im Zug schlafen!
Wie gut, dass wir nicht alle zur Vollversammlung der Uno anreisen müssen. Wladimir Putin aber will kommen. Da kann man ihn ja vielleicht fragen, wie viele syrische Flüchtlinge Russland aufgenommen hat. Das Land also, das durch die Unterstützung des syrischen Regimes wesentlich dazu beiträgt, dass Bashar al-Assad den Krieg weiterführen kann. Diese Zahl ist, so viel ist sicher, sehr überschaubar.