Guilty pleasure

Was bisher geschah: Der Verfasser dieser Zeilen wollte in einem Berliner Einkaufszentrum ein schwarzes Hemd, Größe L, kaufen, scheiterte aber an der Vershoppung und Verbrandung der Boutiquenlandschaft. Übergangsweise erwarb er ein weißes Muskelshirt aus Bangladesh, in dem er aussieht wie eine Weißwurst kurz vorm Auszutzeln. Ob unserem so mopsigen Helden heute mehr Glück beschieden ist?
Jeder kennt das Gefühl, das entsteht, wenn der Kapitalismus einen Wunsch zugleich erfüllt und versagt. So bedient McDonald’s den Wunsch nach sofortiger, angstfreier Sättigung – und lädt den Konsum doch immer mit Schuld auf. Mit jedem Biss hört man Tausend Regenwaldkreaturen aufschreien, schmeckt den Schweiß von Crapjobbern, fühlt das eigene Herz sklerotischer schlagen. Mit ähnlich schuldverlorenen Trieben im Busen trug mich ein launischer Wind vergangene Woche in den Primark, dort nach besagtem schwarzen Hemd zu suchen. Was die Malls längst nicht mehr bieten – Vorräte standardisierter Herrenkleidung – gibt es dort nämlich, wenn auch in bescheidener Auswahl. Zufällig streifte mein Blick eine klassische Übergangsjacke. Ich war sofort wie bezaubert. So schlicht sah sie aus, so nonchalant! Keine Sprüche, keine Logos, keine Aufnäher. Hardcore Normcore! Und dann kam so etwas Hundsnormales noch dazu aus – Myanmar! Myanmar, das Sklavenparadies, der Garten Eden im Military Look, der kranke Mann des Subkontinents! Die Exotik der Gewalt, verpackt in der guten alten Banalität des Bösen, nahm mich sofort in den Bann. Jetzt trage ich nacktes Unrecht auf mir herum – und weiß doch allein davon, bin Komplize und Mitverschwörer der Junta, stiller Teilhaber der Unterdrückung! Nie konnte man sich einfacher und billiger der herrschenden Klasse zugehörig fühlen.