Provinzparanoia

Henning Ahrens schreibt bemerkenswert eigensinnige Lyrik und Prosa. In seinem hyperrealistischen Gothic-Roman »Lauf Jäger lauf« von 2002 etwa streift ein Jäger namens Zorrow durch ein mysteriöses Nebelland in der Pampa – und wird schließlich selbst zum Gejagten.
Eine bleischwere Atmosphäre aus Paranoia, garstigem Wahnwitz und ländlichem Provinzmief prägt auch Ahrens’ jüngsten Roman »Glantz und Gloria«. Glantz steht für das fiktive Mittelgebirgsdorf selben Namens, einen seltsamen Ort mit ritualbeflissenen, fremdenfeindlichen Bewohnern. Gloria heißt die junge Ärztin, die der Held Rock Oldekop alsbald aus den Fängen der lynchbereiten Dörfler retten muss. Die Geschichte dieses sehr verweisreichen, sich stilistisch überschlagenden Sprachspielbuchs ist allerdings komplizierter, als es anfangs scheint. Und die Bewohner dieses ungemütlichen und phantastischen Stücks Dunkeldeutschland sind keineswegs allesamt dumm.
Der Mittvierziger Rock jedenfalls ist nach Glantz zurückgekehrt, um den rätselhaften Brand aufzuklären, bei dem seine Eltern dereinst ums Leben kamen. Gefährliche Sache! Auch Henning Ahrens kehrte auf den Hof der Eltern zurück – nach 20 Jahren. Er weiß: »Jedes Dorf ist eine geschlossene Gesellschaft, und kommt ein Fremdkörper hinzu, tritt eine allergische Reaktion auf.« Dass sich die Landbewohner in der Nähe von Peine gespiegelt sehen könnten, davon ist vermutlich nicht auszugehen. »Glantz und Gloria« ist erheblich dunkler und schriller als das Leben.

Henning Ahrens: Glantz und Gloria. Frankfurt/Main 2015, Verlag S. Fischer, 176 Seiten, 18,99 Euro