Taten statt Reden

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Die vielleicht wichtigste Rede aller Zeiten wurde vor genau 30 Jahren auf dem XXVII. Parteitag der KPdSU gehalten. Sie hat die ganze Welt verändert. Michail Gorbatschow hielt sie, es war die Rede, in der er die Begriffe Glasnost und Perestroika prägte, es ging um Meinungsfreiheit und Demokratisierung. Die Rede markiert den Anfang vom Ende der Sowjetunion und damit der Blockkonfrontation, letztlich eine völlig neue Weltordnung, also den Schlamassel, den wir heute haben. Zehn Jahre später war die Welt schon eine andere, Grenzen waren gefallen (DDR) und andere neu errichtet worden (Jugoslawien). Und innerhalb der EU waren die Grenzen offen. Noch einmal zehn Jahre später, vor zehn Jahren, wurde JJ1 erschossen. Er war aus Italien über Österreich nach Deutschland eingewandert. Die einen nannten ihn vermenschlichend »Bruno«, andere, also Edmund Stoiber von der CSU, etwas weniger menschlich: »ein absoluter … äh … Problembär«, der »beseitigt« werden müsse, sprich abgeknallt, was dann auch geschah.
Heute fordern deutsche Politiker, auch menschliche Migranten an der Grenze mit »Waffengewalt« (Frauke Petry) aufzuhalten, und zwar »bis zur letzten Patrone« (Horst Seehofer). Europa macht die Schotten dicht, die Schotten machen ebenfalls bald dicht und auch wirtschaftspolitisch ist von europäischer Einheit weit und breit nichts zu sehen. Und was bleibt von Glasnost? Russland ist in etwa so transparent wie ein Schwarzes Loch und ­erlebt unter Wladimir Putin einen neuen Stalinismus. Und die Weltordnung? Die ist tatsächlich nicht mehr die alte. Wenn man heute im Kreuzworträtsel nach einer Weltmacht mit drei Buchstaben gefragt wird, muss man sehr lange nachdenken, am Ende versucht man es mit »FSB« und irgendwie ist das nicht einmal ganz falsch.
Seit Gorbatschows Rede ist also viel geschehen. Große Reden waren allerdings nicht mehr nötig. Al-Qaida, Putin, Hassan Rohani, Xi Jinping – wer heute die Welt verändern will, labert nicht, sondern tut es einfach. Nur Hugo Chávez sah das noch anders. Doch wir wissen: Seine Revolution hielt genau so lange an, wie er geplaudert hat. Als er verstummte, ging es mit dem Chavismus bergab. Reden können zwar etwas auslösen, schaffen aber nichts Bleibendes.
Man kann übrigens auch mit Tieren reden. Gibt man »Tiertelepathie« bei Google ein, findet sich eine Heerschar von Heilpraktikerinnen, Homöopathen und Irgendein-Kurs-Absolventen, die ihre Dienste als Tierdolmetscher anbieten. Sie könnten uns sicher verraten, ob unser schnurrender Kater womöglich gerade Pläne für eine neue Weltordnung entwirft. Doch selbst wenn – Nach Kater A kommt Kater B, und der quatscht nicht rum, der handelt. Gorbatschow hält heute Putin die Stange. Und diese Pointe der Geschichte bedarf keiner weiteren Worte.