Die Schweizer lehnen die Initiative zur »Ausschaffung« ab

Mit Schafen für die Ausschaffung

Die Mehrheit der Schweizer lehnte in einem Referendum die auto­matische Abschiebung straffällig gewordener Ausländer ab. Für die erfolgsgewohnte rechtsnationalistische Schweizer Volkspartei ist das eine empfindliche Niederlage.

Am Sonntag wurde in der Schweiz die von der Schweizer Volkspartei (SVP) eingebrachte Initiative »Zur Durchsetzung der Ausschaffung (Abschiebung, Anm. d. Red.) krimineller Ausländer« mit 58,9 Prozent der abgegebenen Stimmen abgelehnt. Die Schweiz hat mit 25 Prozent einen für europäische Verhältnisse außerordentlich hohen Anteil von ausländischen Einwohnern, die SVP war in den vergangenen Jahren immer wieder mit gegen Einwanderung und »Ausländerkriminalität« gerichteten Initiativen erfolgreich, zuletzt 2014 mit einer Initiative für die Einwanderungsbegrenzung. Nachdem die SVP bei den Bundesratswahlen im Oktober vorigen Jahres den höchsten Anteil an Wählerstimmen erzielt hatte, galt es als ausgemacht, dass auch die diese Initiative angenommen würde.
Ziel war die wortgetreue Umsetzung der 2010 angenommenen Ausschaffungsinitiative, gemäß der Ausländer bei bestimmten Straftaten wie Mord, schwerer Körperverletzung, aber auch »Sozialmissbrauch« und Drogenhandel, automatisch abgeschoben werden sollten. Die damalige Initiative war jedoch nach Ansicht der SVP vom Parlament nur in verwässerter Form umgesetzt worden. Insbesondere eine Härtefallklausel, welche die juristische Prüfung von Einzelfällen vorsieht, erzürnte die Rechtsnationalisten. Die Durch­setzungsinitiative beinhaltete eine erweiterte Liste von Straftaten, die zehn Jahre rückwirkend gelten und auch zur automatischen Abschiebung etwa bei bestimmten Verkehrsdelikten oder Drogenbesitz führen sollte, die bei Schweizern lediglich mit einem Bußgeld geahndet werden.
Dieses Anliegen hatte, nicht zuletzt auch in liberal-konservativen Wirtschaftskreisen, für Unruhe gesorgt, denn es hätte das ohnehin seit den Einschränkungen der Personenfreizügigkeit komplizierte Verhältnis zum wichtigen Handelspartner EU weiter verschlechtert. Faktisch wäre durch eine Annahme die Zustimmung zur Europäischen Menschenrechtskonvention zurückgezogen worden, was möglicherweise das Ende der bilateralen Abkommen mit der EU bedeutet hätte. Trotzdem gab es monatelang wenig Widerspruch von Seiten der restlichen Parteien und Wirtschaftverbände, die sich ansonsten bei kontroversen Volksabstimmungen durchaus zu Wort melden. Stattdessen waren es diesmal liberale zivilgesellschaftliche Initiativen und Einzelpersonen, die relativ kurz vor der Abstimmung begannen, gegen die Initiative zu mobilisieren. Dabei wurden vor allem die im Zuge der SVP-Erfolge beinahe vergessenen liberalen Grundwerte der Schweiz beschworen. So wiesen Verfassungsrechtler auf die Gefahr einer »Zweiklassenjustiz« sowie die Aushöhlung der Gewaltenteilung durch die Ausschaltung des Parlaments hin.
Visuell wurde mit harten Bandagen gekämpft. Die SVP verwendete wieder ihre Schäfchenplakate, mit denen sie 2007 um Unterschriften für die Zulassung der Ausschaffungsinitiative geworben hatte. Auf den Plakaten sieht man neben dem Slogan »Sicherheit schaffen!« eine Gruppe von weißen Schafen, die ein schwarzes Schaf wegstoßen. Die Gegner der Initiative warteten mit einem Plakat auf, auf dem sich ein Schweizerkreuz in ein Hakenkreuz verwandelt und das für großes Aufsehen sorgte.
Die Initiative wurde in der Mehrheit der Kantone abgelehnt, wobei es, wie häufig, eine erhebliche Diskrepanz zwischen dem eher liberal geprägten städtischen Raum und den erzkonservativen ländlichen Kantonen gab. Ob damit dem Siegeszug der SVP Einhalt geboten ist, wird sich zeigen. Derzeit wirbt sie für eine »Selbstbestimmungsinitiative«, die dem Landesrecht einen Vorrang vor dem internationalen Recht einräumt und damit die Europäische Menschenrechtskonvention endgültig aufkündigen würde.