Die FPÖ und der Sport

Körperwelten

Die FPÖ und der Sport: Die Freiheitlichen würden sich gern bei Sportfans anbiedern. Immerhin klappt das nicht mehr so einfach wie früher.

1999 behauptete ein Inserat der FPÖ, bebildert mit Jörg Haider, der einen Marathon läuft: »Nur in einem gesunden Körper wohnt auch ein gesunder Geist.«
Das ausschließende »Nur« hatten die Freiheitlichen ganz in der Tradition des Nationalsozialismus dem Ursprungszitat hinzugefügt, was damals einen kleinen Skandal auslöste. Aber so wie kaum jemand wusste, dass der römische Satiriker Juvenal mit dem Satz »Orandum est, ut sit mens sana in corpore sano« nicht zur Körperertüchtigung und schon gar nicht zur Behindertendiskriminierung aufgerufen hatte, sondern im Gegenteil spöttisch bemerkte, man könne bloß hoffen, dass in einem gesunden Körper auch ein gesunder Geist stecke, war nur wenigen klar, wie zeitgemäß der von Haider vorgelebte Körperkult schon wieder geworden war. Während die Jugend der westlichen Welt sich in Muckibuden für Balz und Arbeitsplatzsuche stählte und sich kein amerikanischer Politiker mehr traute, den Tag ohne öffentlich inszeniertes Jogging zu beginnen, begriffen europäische Poli­tikerinnen die neuen Entwicklungen nur sehr langsam. Haider und eine Handvoll weiterer Neurechter waren reaktionsschneller. Der FPÖ-Führer ließ sich seine schiefen Zähne chirurgisch begradigen und posierte fortan als rescher Bergsteiger und flotter Läufer, stets das neue Gebiss siegessicher bleckend. Fitness, so hatte Haider begriffen, war die neue Religion der ewig leben wollenden Baby­boomer und deren Kinder, und das Konzept schöpfte aus jenen ideolo­gischen Quellen, aus denen sich schon die NSDAP und ihre Nachfolgeparteien bedienthatten.
Wie fast jede andere schlechte Idee war auch die Vergötzung des Körperlichen bei gleichzeitiger Verachtung der Intellektualität von Deutschland aus über die Welt gekommen. Vor allem Friedrich Ludwig Jahn, von seinen Anhängern bis heute zärtlich »Turnvater« gerufen, verbreitete in Wort und Tat die Forderung, die deutsche Jugend solle sich körperlich ertüchtigen, um gegen die Jahn verhasste Moderne, die Franzosen und die Juden kämpfen zu können. In Österreich griffen Jahns Schnapsideen ab den vierziger Jahren des 19. Jahrhunderts um sich. Überall im deutschsprachigen Teil der Monarchie bildeten sich Turnvereine, die auf verschwitzte Körper eine verschwitzte deutschnationale Ideologie pfropften. Lange vor dem Erscheinen der Nazis verbreitete sich das »Turnerkreuz«, ein dem Hakenkreuz ähnelndes Logo, das sich aus vier »F« zusammensetzte, die Jahns Leitspruch symbolisierten: »Frisch, fromm, fröhlich, frei«. Frei waren die Turnvereine von Juden, denn schon lange vor dem Anschluss Österreichs an Nazideutschland führte der Österreichische Turnerbund (ÖTB) seinen eigenen »Arierparagraphen« ein. Heute gilt der ÖTB dem Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstands zufolge »dank seiner Mitgliederzahl (ca. 70 000), seiner organisatorischen Verankerung in ganz Österreich und seines Ansehens als mit Abstand wichtigste Organisation des Deutschnationalismus und Rechtsextremismus«. Auf so manchem Gebäude des ÖTB prangt immer noch das der Swastika ähnliche Turnerkreuz und die FPÖ hält ihren politischen Aschermittwoch traditionell in der Turnhalle von Ried im Innkreis ab. Den Körper stählen durch Leibesübungen – Deutschnationalismus, Rechtsex­tremismus und FPÖ waren und sind in Österreich eng verbandelt.
Freilich geht das junge Wahlvolk nicht mehr so häufig in die Turnhalle, um dort über Holzböcke zu hechten, sondern lieber ins Fitnessstudio oder auf den Fußballplatz. Den Fußball und dessen Massenbasis unter Kontrolle zu bekommen, ist für Parteien mit völkischer ideologischer Unterfütterung seit jeher verlockend. Für die österreichische FPÖ läuft es dabei aber nicht besonders gut. Im Spätsommer 2015 stilisierte der Bundesparteiobmann der FPÖ, Heinz-Christian Strache, sich und seine Partei in einem Fernsehinterview mit dem ORF als Fußballmannschaft. Er selbst sei der »Mittelstürmer«, der manchmal von rechts und manchmal von links angreife, und FPÖ-Generalsekretär Herbert Kickl der »Libero«. Außerdem habe er in seiner Jugend beim Wiener Sportklub gekickt, so Strache.
Der Wiener Sportklub twitterte daraufhin ein Foto, das einen dunkelhäutigen Mann mit dem aktuellen Trikot des Vereins zeigt, auf welchem in großen Lettern »Refugees Welcome« zu lesen steht. Als in Graz ein Verwirrter mit einem SUV Amok fuhr und dabei drei Menschen tötete, schrieb Strache auf Facebook: »Wahnsinnstat in Graz! Der Täter ist aus Bosnien. Ein religiös begründetes Attentat wird nicht ausgeschlossen.« Sturm-Graz-Kicker Marko Stankovic, dessen Eltern gebürtige Serben sind, reagierte empört: »Ich fühle mich durch dieses Posting Ihrerseits persönlich angegriffen und sehe in Ihrem Posting eine grundsätzliche Abneigung gegenüber Leuten mit ausländischer Herkunft. Schämen Sie sich, Herr Strache, schämen Sie sich!«
Die sonst so treffsicher agierenden freiheitlichen Populisten und Demagogen kriegen den Ball nicht unter Kontrolle, was nicht zuletzt daran liegt, dass ihr Deutschnationalismus mit dem relativ jungen Österreich-Patriotismus kollidiert, der sich erst in den siebziger und achtziger Jahren herausgebildet hat. Von der Tageszeitung Die Presse gefragt, ob er beim Fußball eher zu Österreich oder zu Deutschland halte, gab Strache 2008 zu Protokoll: »Wenn die österreichische Mannschaft gegen die Deutschen spielt, dann ist das ein Bruderkampf, wo man sich eben ganz besonders freut, wenn man einmal stärker ist als der große Bruder.« Das geht an der österreichischen Fußballfan-Psyche meilenweit vorbei, denn die speist sich spätestens seit der WM von 1978 aus einem irrationalen Ressentiment gegen Deutschland und seine Nationalelf. Üblicherweise drückt man in Österreich bei internationalen Turnieren mehrheitlich den Gegnern Deutschlands die Daumen.
Auch der militante Arm des Rechtsextremismus tut sich schwerer mit der Fanszene, als man sich das in Strategiesitzungen vorgestellt hat. Zwar gelang es Neonazis um den derzeit in Haft sitzenden Gottfried Küssel und später den sich gemäßigter gebenden, aber personell teils identischen Identitären, mit den Gruppierungen »Unsterblich« sowie »Ultras Sur« bei den Wiener Vereinen Austria und Rapid einen Fuß in die Szene zu kriegen, doch sind diese Gruppierungen zwar gefährlich und gewaltbereit, aber in der mehrheitlich in der Tradition der Arbeiterbewegung stehenden Fankultur immer noch isoliert. Eine Rolle spielt dabei sicher die steigende Präsenz und spieltechnische Wichtigkeit nichtautochthoner Kicker. Es erzeugt eine gewisse kognitive Dissonanz, von Rassenreinheit zu schwärmen, wenn David Alaba Tore schießt.
Die FPÖ und der außerparlamentarische Rechtsextremismus stoßen überall dort, wo Sport mehr ist als Vereinsmeierei und dörfliche Freizeitgestaltung, auf größere Schwierigkeiten beim Ideologieverkauf, da die Kundschaft inzwischen einen gewissen Internationalismus gewöhnt ist und das »Österreich zuerst«-Geschrei der Freiheitlichen als geschäftsschädigend empfindet. Nur wenige bekannte Persönlichkeiten aus dem Sport machen sich öffentlich für die FPÖ stark. Zu diesen Ausnahmen ­gehört der Fallschirmspringer Felix Baumgartner, der von seinem steuergünstigen Wohnsitz in der Schweiz aus zu mehr österreichischem Patriotismus aufruft und sich eine »gemäßigte Diktatur« herbeisehnt. Wesentlich mehr Resonanz findet die FPÖ unter Musikerinnen und Musikern aus dem volkstümlichen Bereich, die von einer protektionistischen Abschottungspolitik natürlich stärker profitieren würden als Spitzensportlerinnen.