Sommertrends

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So Leute, das war’s. Die Bundes­ligasaison ist vorbei und Margot Honecker lebt auch nicht mehr. Was machen wir jetzt bloß mit diesem Sommer? Im Englischen Garten in München kostet die Maß nun 8,20 Euro, das sind verdammte 16 D-Mark. SECHSZEHN DEHMARK! Vielleicht sollten wir also lieber »Wechseljuicer und Flexitarier« werden, wie »Lifestylepäpstin« Angelika Taschen. Seit ihrem berüchtigten Interview vorige Woche aus der Welt der Möchtegern-Berlin-Versteher fragen sich alle: Was zum Henker ist das für eine coole Scheiße: Wechseljuicer? Na jemand, der abwechselnd, also nicht gleichzeitig, verschiedene Saftsorten trinkt. Also heute Kirsch, morgen Orange und übermorgen Mango-Maracuja. Derart extravagant kommt man sogar am Türsteher des Borchardt vorbei. Das neue Berlin ist nicht mehr »arm und sexy«, sondern »reich und flexi«. Flexitarier sein ist irre cool: Einfach essen, was einem vor den Rüssel kommt. Die Taschen-Frau ist Allesfresser oder feiner ausgedrückt: omnivor. Ein crazy neuer Trend – also »neu« im Sinne von: seit 160 000 Jahren.
Eher ein Trend ist es dann doch immer noch, sich vegetarisch oder vegan zu ernähren. Fast neun Millionen Bundesbürger tun das bereits. Genau genommen müsste es heißen: Bundesbürgerinnen, denn 70 bis 80 Prozent von ihnen sind weiblich. Diverse Studien belegen dies und auch der Gründer der Supermarktkette »Veganz«, Jan Bredack, bestätigt das, was seine Kundschaft betrifft. Das sind also valide Zahlen. Wieso sind es so viele Frauen? Junge Frauen Anfang 20 zumeist. Sind Frauen tierlieber? Sind sie umweltbewusster? Alle Studien zeigen, dass bei den Motiven für eine vegetarische Ernährung die Gesundheit an erster Stelle steht. Sind Frauen also gesundheitsbewusster? Das mag sein. Problem: Eine vegane oder vegetarische Ernährung ist gar nicht grundsätzlich gesünder als eine omnivore. Man kann sich so oder so gesünder oder weniger gesund ernähren. Bleibt die böse Frage: Ist Veganismus einfach eine Diät? So abwegig ist das gar nicht, denn so wird das ja auch verkauft: »Vegan for Fit« (Attila Hildmann), »Safe the whales, lose your blubber, go vegan!« (Peta). Darauf macht ein Artikel im neuen Missy Magazine aufmerksam, der dann noch ein weiteres mögliches Motiv für Veganismus liefert: »Der Verzicht auf den Konsum tierischer Produkte kann ein Teil der Dekolonialisierung des eigenen Körpers sein.« Das wiederum ist dermaßen inspirierend, dass vermutlich schon bald, also in ein paar Jahren, Frau Taschen darauf anspringen und statt zum Yoga zum Decolonization-Brunch am Kollwitzplatz gehen wird.
Den anderen bleibt der Trost, dass sie in einem Paralleluniversum leben und mit all dem nichts zu tun haben. Auf einen schönen Sommer! Prost!