Zum 23. Jahrestag des Brandanschlags in Solingen

Ein Vierteljahrhundert rechter Terror

Am Sonntag jährte sich der Brandanschlag von Solingen zum 23. Mal. Damals starben fünf Menschen, die aus der Türkei stammten. Es ist vermutlich der rechtsextreme Anschlag in Deutschland mit den meisten Todesopfern seit 1990.

Einen Blick auf Solingen 1993 zu werfen lohnt sich auch 2016 noch – es gibt einige gesellschaftliche Parallelen. Rechtsextreme Gruppen und Parteien agitierten auch damals gegen Asylsuchende. Die Republikaner und Der Spiegel waren einer Meinung: »Das Boot ist voll«. Der deutsche Mob feierte die Pogrome von Rostock und Hoyerswerda. Bei Brandanschlägen wie in Mölln starben Menschen. Die Antwort der regierenden Politiker auf den rassistischen Terror bestand in der weitgehenden Einschränkung des Asylrechts. Am 26. Mai 1993, drei Tage vor dem Mordanschlag in Solingen, beschloss der Bundestag mit den Stimmen der oppositionellen SPD den verfassungsändernden »Asylkompromiss«. Damit wurde die Regelung über »sichere Drittstaaten« eingeführt. Von denen ist Deutschland bekanntlich damals wie heute umgeben. Zudem wurden die »sicheren Herkunftsländer« eingeführt. Auch heutzutage wird, wieder als Reaktion auf rechten Terror, am Asylrecht geschraubt: »Aufnahmezentren«, ausgesetzter Familiennachzug und weitere »sichere Herkunftsländer« sind die wichtigsten Stichwörter, wenn es um die aktuellen »Asylpakete« geht.
Schon wenige Tage nach der Solinger Tat konnten vier Täter ermittelt werden. Sie wurden zu Haftstrafen von zehn bis 15 Jahren verurteilt. Inzwischen sind alle vier wieder in Freiheit. Das Vorgehen der staatlichen Behörden ist bis heute umstritten. Nicht intensiv ergründet wurden beispielsweise die Verbindungen des Quartetts zu einer Kampfsportschule, die ein V-Mann des nordrhein-westfälischen Verfassungsschutzes betrieb. Drei von ihnen trainierten dort in einer Gruppe, die den Saalschutz bei rechtsextremen Veranstaltungen stellte. V-Mann Bernd Schmitt wurde als manipulativer und charismatischer Anführer beschrieben. Mögliche Verstrickungen des Verfassungsschutzes in den Anschlag von Solingen wurden nie aufgeklärt. Einen weiteren Tiefschlag für die Hinterbliebenen der Anschlagsopfer gab es Jahre nach der Tat. Behörden der Stadt Solingen wollten ihnen die Adresse eines Täters nicht übermitteln, von dem sie Schmerzensgeld forderten. Die Behörden befürchteten angeblich »Racheakte«. Vieles erinnert auf erschreckende Weise an den NSU-Komplex.
Am Samstag demonstrierten etwa 80 Menschen in Erinnerung an den Anschlag in Solingen. Reden hielten unter anderem der Bürgermeister und eine Vertreterin der evangelischen Kirche; die Ansprachen strotzten vor Allgemeinplätzen gegen Rassismus und für das »weltoffene« Solingen. Eine Rede der Wuppertaler Gruppe »Soli-Komitee« wurde abgelehnt. Sie war wohl zu gesellschaftskritisch. Der Rest der nordrhein-westfälischen Antifaschisten hatte den Jahrestag komplett verschlafen.