Die Offensiven gegen den »Islamischen Staat«

Die Tücken der Offensive

In Nordsyrien und im Irak rücken Truppen gegen den »Islamischen Staat« vor. Nutznießer davon sind allerdings hauptsächlich schiitische Milizen und der Iran.

Wäre Brett McGurk Schauspieler geworden, könnte man ihn vielleicht in der Rolle eines jungen korrupten Anwalts mit Sonnyboy-Lächeln sehen, auch als Kriegsheld mit finsterem Doppelleben hätte er sich bestimmt gut gemacht. Aber auch so hat er eine perfekte Rolle gefunden, McGurk ist »Sondergesandter des amerikanischen Präsidenten für die globale Koalition zur Bekämpfung von ISIL«, also des »Islamischen Staats« (IS). Mc­Gurks Aufgabe ist es, durch die Welt zu reisen und möglichst oft Bilder von sich zu posten, auf denen er mit einem wie festgefroren wirkenden optimistisch-markigen Gesichtsausdruck Staatsmännerhände schüttelt. Außerdem spricht er quasi täglich irgendwem auf der Welt für einen großartigen Beitrag im Kampf gegen den IS Dank oder Gratulationen aus. Nicht einmal die Bundesregierung hat er dabei vergessen, die ein paar Euro für irakische Flüchtlinge gespendet hat. McGurk hat einen harten Job, schließlich muss er ein Produkt bewerben und verkaufen, das es gar nicht gibt: etwas, das auch nur annähernd so aussehen könnte wie ein Erfolg Barack Obamas im Nahen Osten.
Dabei scheinen gerade tatsächlich entscheidende Niederlagen des IS absehbar zu sein. Im Irak hat der Kampf um Falluja begonnen, nicht zuletzt symbolisch ein wichtiger Ort für den IS, in Nordsyrien drängt eine Offensive des syrischen PKK-Ablegers PYD die ­Jihadisten seit Wochen Dorf um Dorf zurück. Selbst das Assad-Regime nutzt die Gunst der Stunde und ist mit einer Eliteeinheit in Richtung eines Ölfeldes auf IS-Gebiet vorgestoßen. Die Kämpfer des Kalifats stehen zweifellos unter Druck und die US-Amerikaner ­haben viel dafür investiert. Neben der gezielten Ausschaltung von Führungspersonal der Jihadisten sind die Unterstützung der PYD mit Waffenlieferungen und der Einsatz von amerikanischen Spezial­einheiten zu nennen; im Irak, wo sich längst wieder mehrere Tausend US-amerikanische Soldaten befinden, hat der Einsatz der Luftwaffe das Vorrücken irakischer Armeeeinheiten und Milizen erst ermöglicht. Obama will offensichtlich nicht als der außenpolitische Katastrophenfall in die Geschichte eingehen, als der er sich mittlerweile immer deutlicher darstellt – jedenfalls was den Nahen Osten angeht.
Der derzeitige Erfolg gegen den IS relativiert sich allerdings, wenn man Brett McGurks Dauerfeuer froher Nachrichten einmal ignoriert. Der IS hat sich angesichts der kurdischen Offensive aus für ihn unwichtigen Gebieten zum Teil überraschend schnell zurückgezogen, aber plötzliche Vorstöße der Jihadisten an anderer Stelle und die hohen Verluste der PYD sollten klar gemacht haben, dass die Jihadisten weiterhin handlungsfähig sind. Von einem direkten Angriff auf Raqqa, neben Mossul dem wichtigsten Stützpunkt des IS, ist zwar viel die Rede, mehr aber auch nicht. Im Irak ist die Offensive gegen den IS an den Rändern von Falluja ins Stocken geraten. Offensichtlich ziehen sich die Kalifatskämpfer hier nicht mehr zurück, sondern wollen dem schiitischen Gegner in der Stadt selbst einen ordentlichen Kampf liefern. Mit ein paar Zehntausend eingeschlossenen Zivilisten haben sie auch genug Menschenmaterial, um eine ausgewachsene humanitäre Tragödie zu inszenieren, die ihrer Propaganda nur nutzen kann. Obama wiederum hat sich einmal mehr dem politischen Willen seines de facto-Verbündeten, des Iran, unterworfen. Im Irak fungieren die amerikanischen Kampfbomber als Luftwaffe der von den Iranern kontrollierten schiitischen Milizen. Auch wenn von US-amerikanischer Seite betont wurde, nur die offizielle irakische Armee werde mit Luftangriffen unterstützt und dürfe das Stadtgebiet Fallujas betreten, drohen die schiitischen Milizen unablässig, vorzurücken.
Wie zum Hohn hat der irakische Außenminister erklärt, Qasem Soleimani, der Leiter der Auslandsabteilung der iranischen Revolutionsgarden und Chefstratege Assads in Syrien, sei zum Militärberater der irakischen Regierung ernannt worden; zudem ist der Kommandeur der Bodentruppen der iranischen Revolutionsgarden bei Falluja öffentlich aufgetreten. Insgesamt hat Obamas dubiose Nahost-Strategie jedenfalls erreicht, dass die USA als Erfüllungsgehilfen schiitisch-iranischer Machtträume erscheinen – wohlgemerkt ohne dass diese Seite ihre antiamerikanische Rhetorik ­geändert hätte. Der IS wiederum bekommt so sein Hauptnarrativ bestätigt, dass die Sunniten unter seiner Führung einen Überlebenskampf führen müssten. Sollte Obama sich vorgestellt haben, ein wie auch immer gearteter Sieg über den IS könnte errungen werden, indem man die sunnitisch-arabische Bevölkerungsmehrheit in der Region schlicht ignoriert, dann wird Brett McGurk sich noch die Finger wund twittern müssen.