Frauen, die Geister jagen: der Film »Ghostbusters«

Who you gonna call?

Seit Wochen wird in den USA über den dritten Teil der »Ghostbusters«-Reihe gestritten. Anstoß erregt vor allem seine Besetzung. Dass nun Frauen Geister jagen, macht den Film nicht unbedingt zu einem feministischen Kunstwerk.

Es gibt Diskussionen über Filme, die jede Frau in Rage bringen. »Mad Max«, »Terminator«, »Stirb langsam« und »Star Wars« gehören etwa dazu. »Das ist ein Jungsfilm, der ist nichts für dich«, hört die Frau den männlichen Gesprächspartner sagen. Halb im Scherz, versteht sich. Hinter der Albernheit verbirgt sich dennoch, der Cineastin jegliches Urteilsvermögen über ein ganzes Genre abzusprechen.
Die beiden »Ghostbusters«-Filme von 1984 und 1989 sind auch solche Jungsfilme. Es wäre vermessen, sie für unangreifbare US-amerikanische Kulturgüter zu halten. Sie sind bestenfalls smartes Popcorn-Kino. Vieles darin wirkt heute ulkig, die popkulturelle Relevanz erwuchs über die Jahre vor allem aus der Nostalgie. Auch die Coolness, die sich Hauptdarsteller Bill Murray später mit Rollen in Independent-Filmen von Wes Anderson und Sofia Coppola erwarb, trug wesentlich dazu bei, dass Ivan Reitmans heute leicht angestaubt wirkende Gruselkomödien noch verehrt werden.
Nun hat ein Sequel mit einem weiblichen Geisterjäger-Quartett, das in den USA bereits seit Mitte Juli gespielt und in Deutschland am 4. August starten wird, eine heftige Kontroverse entfacht. Das Frauenquartett ruft anscheinend bei manchen Männern das Bedürfnis hervor, die Deutungshoheit über ihren Lieblingsfilm zurückzuerobern. Anders lässt sich der Furor im Internet über den ach-so-vermurksten Teil drei von »Ghostbusters« nicht erklären. Ein Buddy-Movie ohne Männer? Unmöglich! Auch Regisseur Feig klagte im Hollywood Reporter, er sei mit den »übelsten frauenfeindlichen Dingen« konfrontiert worden.
Auf über 900 Besprechungen bringt es der Film auf IMDB.com, überdurchschnittlich viele für die Filmdatenbank. Nutzer Stephen Lancaster, der sich selbst als Autor von Geistergeschichten und Dokumentarfilmer bezeichnet und am liebsten Horrorfilme anschaut, jammert, dass der Film extrem sexistisch gegenüber Männern sei: »Alle Männer werden im Film als Idioten dargestellt.« Annilator86 kritisiert, dass Darstellerin Leslie Jones ein Stereotyp einer schwarzen Frau darstelle: »Kreischen? Check. Bitch slapping? Check.« Männer würden als Idioten oder Arschlöcher vorgeführt. »Das ist ein sexistischer Film, der andere als sexistisch verurteilt«, meckert ein anderes IMDB-Mitglied. »Sie ruinieren meine Kindheit«, jammert der nächste. »Die sollten eine Therapie machen«, konterte Hauptdarstellerin Kristen Wiig in der New York Times.
Dabei klang alles so gut. Der dritte Teil von »Ghostbusters« bringt nämlich ein Trio zusammen, das man bereits von der großartigen Komödie »Bridesmaids« kennt, die in Deutschland unter dem dümmlichen Titel »Brautalarm« in die Kinos kam: Regisseur Paul Feig sowie die Hauptdarstellerinnen Melissa McCarthy und Kristen Wiig. Die beiden Frauen sind zwei der profiliertesten und populärsten Comedians, die sich im US-amerikanischen Mainstream-Entertainment derzeit finden lassen.
Wiig, die für »Bridesmaids« das Drehbuch des von Judd Apatow produzierten Films schrieb und bei »Saturday Night Live« begann, bewies schon damals ein Gespür für große Komik. Will heißen: Keine Scheu vor Erniedrigung und Selbstdemontage in peinlichen Situationen, üblicherweise ein Garant für großartige Comedy. Sie widerlegte das Vorurteil, dass Sexiness nicht zu Komik, Selbstironie nicht zu Erotik passt. In »Bridesmaids« durften Frauen derb, vulgär und zotig sein – und es funktionierte. Das wollte Feig anscheinend wiederholen.
Seine Idee, die Geisterjägerinnen mit Frauen zu besetzen, ist aber nicht irrsinnig innovativ. Es gibt etliche weibliche Actionstars in Hollywood-Filmen. Sigourney Weaver machte als Ellen Ripley in der »Alien«-Reihe 1978 den Anfang – und durfte ein paar Jahre später witzigerweise als von Bill Murray Angebetete in »Ghostbusters« auftauchen. Auf Ripley folgten gestählte Heldinnen wie Linda Hamilton als Sarah Connor in »Terminator«, Demi Moore als Jordan O’Neill in »G.I. Jane«, Angelina Jolie als Lara Croft in »Tomb Raider«, Uma Thurman als Beatrix Kiddo in »Kill Bill« und zuletzt Charlize Theron als Imperator Furiosa in »Mad Max: Fury Road«.
Die Neuerung von »Ghostbusters« besteht darin, dass Feig eine Besetzung wie aus dem Lehrbuch für Diversität wählte. Es gibt die Korpulente mit der großen Klappe namens Abby Yates (Melissa McCarthy), Patty Tolan, eine afroamerikanische Angestellte der New Yorker Subway mit Ghetto-Credibility (Leslie Jones), die burschikose, lesbisch konnotierte Technik-Checkerin Jilian Holtzmann (Kate McKinnon, wie Wiig und Jones aus »Saturday Night Live«) und Erin Gilbert, die weltfremde Wissenschaftlerin in kariertem Faltenrockkostüm (Kristen Wiig). Diese Nerd-Girlgang ersetzt das männliche Quartett der Achtziger aus Bill Murray, Dan Aykroyd, Harold Ramis und Earnest Lee Hudson, um schleimtriefende paranormale Aktivitäten in New York zu zersetzen.
Angeheizt wurde die Debatte über den dritten Teil der Reihe zusätzlich, als die Darstellerin Jones am 19. Juli auf Twitter ankündigte, den Social-Media-Dienst unter Tränen zu verlassen – nachdem sie misogyne Beschimpfungen hatte ertragen müssen: »Man kann den Film hassen, aber den Scheiß, den ich heute bekommen habe … falsch.« Leider nur ein aufmerksamkeitswirksames und durchschaubares Manöver, das ihr sensationelle 21 000 Retweets brachte. Im Nachhinein blieb ein fader Beigeschmack, da sie mittlerweile wieder fröhlich weiter twittert.
In den Rezensionen seriöser US-amerikanischer Medien kommt der Film schlecht weg. Alyssa Rosenberg von der Washington Post bedauert, dass ein guter Cast verschenkt worden sei, und befürchtet, dass mäßige Einspielergebnisse – und das bei Produktionskosten in Höhe von 150 Millionen Dollar und einem umfangreichen Marketing-Budget – negative Folgen für innovativere und feministischere Filmprojekte haben könnten. Peter Debruge von Variety moniert den exzessiven und sinnfreien Einsatz von Special-Effects und ist unzufrieden mit der starken Nachahmung der Vorgängerfilme. Im Hollywood Reporter bemängelt David Rooney das einfallslose Drehbuch von Feig und Katie Dippold und vermisst generell Humor und Spannung. Außerdem stimme die Chemie zwischen den Frauen nicht: »Die vier Hauptfiguren erscheinen eher wie weibliche Varianten der Originalrollen denn als eigenständige Charaktere.«
Was taugt der Film also in Sachen feministische Role Models? Wenig. Die sprachlich dürftige Qualität der Gags von »Ghostbusters« reicht nicht annähernd an »Bridesmaids« heran. Sowohl die weiblichen als auch die männlichen Figuren sind fade Stereotype. Strategien der Selbstermächtigung von Frauen werden mit einem dümmlichen Sideplot konterkariert: Die Reduzierung des verblödeten, aber gut gebauten Assistenten (Chris Hemsworth) als Sexobjekt soll irgendwie feministisch-progressiv sein. Verschenkt ist auch der uninspirierte Cameo-Auftritt von Bill Murray als verknöchertem Geisterexperten Martin Heiss.
Wenigstens eine Szene lässt kurz schmunzeln. Nämlich die, in der die Frauen die Kommentare unter einem Youtube-Video, das eine ihrer Geisterjagden dokumentiert, lesen: »Ain’t no bitches gonna hunt no ghosts«. Bitches sollen also keine Geister jagen. Es klingt, als hätten sie die realen Online-Schmähungen bereits antizipiert. Dieser Hauch von Selbstironie macht den Film allerdings auch nicht besser.

Ghostbusters (USA 2016). Regie: Paul Feig. Darstellerinnen: Melissa McCarthy, Kristen Wiig, Kate McKinnon. Start: 4. August