Warum Proteste gegen die AfD derzeit nicht erfolgreich sind

Blasser Protest

Bei der »Alternative für Deutschland« tut sich die Linke mit Gegenstrategien schwer. Sie zu bekämpfen scheint komplizierter, als es der Kampf gegen NPD und Kameradschaften je war.

Werl ist eine Kleinstadt mit 30 000 Einwohnern im westfälischen Land. Das einzig Bemerkenswerte ist eigentlich die Wallfahrtsbasilika Mariä Heimsuchung, in der jedes Jahr Tausende Pilger eine goldene Marienstatue anhimmeln. Dieses Jahr wurde Werl allerdings zweimal zum Veranstaltungsort von Parteitagen der »Alternative für Deutschland« (AfD). Anfang Juli fand ein regulärer Landesparteitag der nordrhein-westfälischen AfD in Werl statt und am Wochenende ein Nominierungsparteitag für die Landtagswahlen im kommenden Frühjahr.
Für Samstagmorgen war in Werl eine Protestaktion vor der Stadthalle geplant. Mit Umzugskartons, auf die das Logo der Kampagne »Nationalismus ist keine Alternative« (Nika) gedruckt war, sollte eine Zufahrtsstraße zur AfD-Versammlung blockiert werden. Die Polizei reagierte gelassen. »Macht ein Foto und dann geht ihr weiter zur Kundgebung«, war die Empfehlung eines Polizeibeamten. Nach einer Viertelstunde folgten weitere Aufforderungen, die »Blockade« zu beenden, Polizisten warfen die Umzugskartons an den Straßenrand, die Blockierer von Nika gingen zur Anti-AfD-Kundgebung eine Straßenecke weiter.
Die DKP, Grüne, Antifas und Mitglieder eines evangelischen Arbeitskreises, die als einzige auch noch am Abend gegen die AfD protestierten, waren dort anwesend. Bei der Kundgebung gab es das übliche Programm. Reden gegen Rassismus und den Rechtsruck der Gesellschaft und Musik von Irie Révoltés über Jennifer Rostock bis zu Ton Steine Scherben. Einzelne AfD-Mitglieder, die an der Kundgebung vorbeigingen, wurden angepöbelt und pöbelten zurück. Am Mittag führte ein Demonstationszug durch Werl, die Antifas machten sich dann wieder auf den Heimweg ins nahegelegene Ruhrgebiet.
Auf dem Marktplatz gab es noch ein »Fest der Kulturen«, das sich auch gegen die AfD richtete. Es war eine gewöhnliche Kleinstadtveranstaltung, bei der es Pizza vom italienischen und Döner vom türkischen Verein gab, um sich multikulturell zu präsentieren, ohne politische Aussagen zu treffen.
Die dem Bündnis »Ums Ganze« nahestehende Kampagne Nika hatte den Protest in Werl lange vorangekündigt. Nach der Teilnahme an der Demonstration gegen den ersten AfD-Parteitag in Werl im Juli wollte man nun »einen Schritt weiter gehen« und rief zu Blockaden auf. Den Antifas gelang es trotzdem nicht, genug Menschen in die westfälische Provinz zu mobilisieren.
Die schwache Mobilisierung nach Werl steht dabei exemplarisch für die Probleme, die es momentan beim Protest gegen die AfD gibt. Die Beteuerung, die rechtspopulistische Partei sei derzeit die relevanteste Kraft für eine gesamtgesellschaftliche Wende nach rechts, dürfte zwar in der radikalen Linken ein Gemeinplatz sein, aber der Protest gegen die AfD ist trotzdem nicht besonders beliebt. Denn er ist wenig erfolgsversprechend. Der ältere Herr Oberstudienrat, der in der AfD tätig ist und dessen Auto angezündet wurde, weckt in der Lokalpresse doch deutlich mehr Mitleid als ein tätowierter Neonazi, der Rechtsrock-CDs verkauft und dem dasselbe passiert ist. Das ist ein Grund, weshalb militante Aktionen gegen die AfD schnell nach hinten losgehen können. Ein weiteres Problem: Wird nach der Ankündigung, dass ein AfD-Sprecher in die Stadt kommt, wird zur Gegenkundgebung aufgerufen, wird auch die mediale Berichterstattung über die AfD-Veranstaltung intensiver. Ob am Ende dann 20 oder 200 Menschen Frauke Petry oder Björn Höcke zugehört haben, spielt für die AfD dann keine große Rolle mehr. Ihre Köpfe und ihre Inhalte sind über Tage das dominante Thema der Lokalpresse, und einzig das zählt für die rechtspopulistische Partei. Hier spielt die AfD dasselbe Spiel wie mit den bundesweiten Medien, wie jüngst Frauke Petry, als sie den Begriff des Völkischen verteidigte.
Im niedersächsischen Kommunalwahlkampf fühlte sich die AfD allerdings doch behindert. Stände seien angegriffen und öffentliche Auftritte der Kandidaten gestört worden, sagte der Landesvorsitzende Paul Hampel der Neuen Osnabrücker Zeitung. Bei einer Kundgebung am Wochenende in Hannover applaudierten einige Gegendemonstranten, die sich unbemerkt unter die AfD-Anhänger gemischt hatten, so laut, dass Frauke Petry ihre Rede unterbrechen musste. Welche Inhalte linker Protest gegen die AfD hat, ist beinahe egal. Fast niemand unterscheidet zwischen der ausgefeilten Staats- und Nationalismuskritik von Nika und dem doch eher simpel gestrickten »Aufstehen gegen Rassismus«, das »Stammtischkämpfer« gegen die AfD propagieren.
Wie die radikale Linke effektiver gegen die AfD vorgehen kann, muss offenbar noch erprobt werden. Die derzeitigen Protestformen und Methoden, das beweisen die Erfolge der Rechtspopulisten, sind jedenfalls ungenügend. Hilfreich kann es sein, mehr Wissen über die AfD zu sammeln und zu vermitteln. Linke sollten mehr sagen können als »Die sind Rassisten« und deswegen »doof«. Auch lokale Recherchen über Parteimitglieder lohnen sich. In beinahe jeder Region gibt es AfD-Mitglieder mit einer Vergangenheit bei oder mit Verbindungen zu extremen Rechten. Mit solchen Informationen ist es möglich, Diskurse selbst zu bestimmen und die AfD in die Enge zu treiben. Außerdem ist eine Debatte über andere Protestformen nötig. Zivilgesellschaftliche Strategien, die gegen Neonazis erfolgreich sind, funktionieren bei der AfD nicht. Wenn man gegen diese auf die Straße geht, sollte der Protest so gestaltet werden, dass er das Bild bestimmt und nicht nur Hintergrundrauschen für die Reden von Petry, Höcke und Co. ist.