Festnahmen im Zusammenhang mit den jihadistischen Anschlägen in Frankreich

Das Frauenkommando

In Frankreich wurden mehrere Frauen festgenommen, die unter Verdacht stehen, in Paris im Auftrag des »Islamischen Staats« Anschläge geplant zu haben.

Sarah H. hatte kein besonders glückliches Händchen mit ihren Männern. Zwei von dreien, denen sie »versprochen« war, sind nicht mehr am Leben, dem dritten ist vorläufig die Freiheit entzogen worden. Zunächst wollte die 23jährige salafistische Islamkonvertitin Larossi Abballa ehelichen, der im Juni, nachdem er ein Polizistenpaar in der Nähe von Versailles ermordet hatte (Jungle World 25/2016), bei einem Schusswechsel mit den Einsatzkräften starb. Als Nächster stand Adel Kermiche auf ihrer Liste. Doch auch er schied durch eine Polizeikugel aus dem Leben, und zwar im Juli. Zuvor war er als Mittäter an der Ermordung des 85jährigen Priesters Jacques Hamel in der Nähe von Rouen beteiligt.
Hinter Schloss und Riegel sitzt derzeit nicht nur der letzte Verlobte von Sarah H., Mohamed Lamine Aberouz, sondern auch sie selbst. Am Donnerstag voriger Woche wurde sie zusammen mit zwei anderen Frauen, der 29jährigen Konvertitin und Mutter dreier Kinder Ornella G. sowie der 19jährigen Inès M., im südlichen Pariser Umland festgenommen. Sarah H. verletzte dabei einen Polizisten mit einem Messer an der Schulter. Alle drei wurden am Montag einem Ermittlungsrichter für Terrordelikte vorgeführt.
Ornella G. und Inès M. sind dringend verdächtig, die beiden jungen Frauen zu sein, die in der Nacht vom 3. zum 4. September ein Auto mit fünf Gasflaschen im Kofferraum in der Nähe der Pariser Kathedrale von Notre-Dame abstellten. Neben der potentiell explosiven Ladung fanden sich im Kofferraum des Wagens auch ein mit Treibstoff getränkter Lappen sowie eine brennende Zigarette, die einen Brand und eine darauffolgende Explosion hätte auslösen sollen. Ein Anwohner hatte die Polizei verständigt, da ihm einige Bewegungen verdächtig vorkamen.
Vier Tage später griff die Polizei in Boussy-Saint-Antoine südlich von Paris zu. Sarah H. und Ornella G. hatten in der Wohnung der 39jährigen Amel S. Unterschlupf gefunden. Zumindest bei Sarah H. wurde bereits zu diesem Zeitpunkt das Telefon abgehört, denn sie war im Zusammenhang mit dem von Abballa begangenen Doppelmord in Ermittlungen einbezogen worden. Ihr am Donnerstag ebenfalls festgenommener Verlobter Aberouz gilt als einer von Abballas Komplizen.
Nach Angaben der Ermittlungsbehörden planten die drei mutmaßlichen Jihadistinnen zum Zeitpunkt ihrer Ergreifung, binnen kurzer Zeit einen Terroranschlag zu verüben. Erste Meldungen von Ende vergangener Woche, wonach ein baldiger Anschlag auf den Pariser Bahnhof Gare de Lyon geplant sei, wurden am Montagnachmittag relativiert. Dem Pariser Staatsanwalt François Molins zufolge wurden bislang lediglich sieben leere Flaschen sowie improvisierte Zünder in der Wohnung von Amel S. gefunden, jedoch kein Sprengstoff. An den Motiven der drei Frauen, die alle bereits wegen islamistischer »Radikalisierung« polizeibekannt waren, bestehe jedoch kein Zweifel: In der Handtasche von Inès M. sei ein von Hand verfasstes Schreiben gefunden worden, in dem sie dem »Islamischen Staat« (IS) die Treue schwörte.
Die apokalyptische Terrormiliz hat nach den bisherigen Angaben der Ermittlungsbehörden den drei Frauen sogar direkte Vorgaben gemacht. Als Hintermann wird der französische Jihadist Rachid Kassim ausgegeben. Der 29jährige hält sich im IS-Gebiet in Syrien auf und ist im Internet sehr aktiv. Dem bei Inès M. gefundenen Schreiben zufolge sollen die Jihadistinnen zudem beabsichtigt haben, den Ende August bei einem Bombenangriff getöteten hochrangigen IS-Kader Abu Mohammed al-Adnani »zu rächen«.
Alle drei sollen ferner darüber frustriert gewesen sein, dass es ihnen nicht gelungen war, nach Syrien ins Kampfgebiet einzureisen. Sarah H. etwa wurde 2015 in der Türkei aufgegriffen und von den dortigen Behörden nach Frankreich zurückgeschoben, dort wurde ihr Pass einbehalten. Aber trotz strafrechtlich relevanter Vorwürfe – der Versuch einer Einreise ins IS-Gebiet kann verfolgt werden – war sie weder in Polizeigewahrsam genommen noch inhaftiert worden. Bislang erweisen sich die französischen Justizbehörden gegenüber Jihadistinnen als wesentlich weniger streng als bei ihren männlichen Pendants. Denn bis jetzt wurden sie oft nur als »Frau von …« betrachtet. Das könnte sich nun ändern. Seit Dienstag sitzen die vier in Boussy-Saint-Antoine aufgegriffenen Frauen in Untersuchungshaft, gegen alle wurde ein Strafverfahren eröffnet.