Kurzmeldungen

Wenn Füße flirten
Coaching. »How to Fall in Love in Germany?« Mit dieser Frage dürften sich hierzulande bereits Millionen Singles beschäftigt haben. Dating in Deutschland ist kompliziert. Schon vor 13 Jahren inspirierte das landestypische Flirtverhalten die Band Wir sind Helden zu einem Songtext: »Aurelie, so klappt das nie. Du erwartest viel zu viel. Die Deutschen flirten sehr subtil«, trällerte Judith Holofernes. Hierzulande fehlt dem Flirt nicht nur die Leichtigkeit, mittlerweile gilt er sogar als veritables Sicherheitsrisiko. Weil schon allein die Ankündigung der Veranstaltung für Aufregung gesorgt hatte, musste ein Flirtkurs für Flüchtlinge, den die Arbeiterwohlfahrt in Essen organisiert hatte, von einem Sicherheitsunternehmen bewacht werden, zwischendurch schaute auch die Polizei vorbei. Trotz widriger Bedingungen brachte das Seminar unter der Leitung eines professionellen Flirt-Coachs Aufschlussreiches hervor: In Deutschland kommt dem Fußkontakt eine besondere Bedeutung zu. Stichwort: Subtilität. In anderen Ländern schaut man sich in die Augen und lächelt, hierzulande sollte man vor allem die Füße seines Gegenübers im Blick behalten. Denn ein Lächeln kann vorgetäuscht sein, der Fuß hingegen ist ein untrügliches Flirtbarometer. Zieht das Gegenüber den Fuß nicht weg, wenn man sich nähert, läuft es sogar so gut, dass einer baldigen Liaison nichts mehr im Wege stehen dürfte. Man lernt nie aus. mme
Tessiner Abgründe
Mieten. Die steigenden Mieten sind ein zentrales Thema im Berliner Wahlkampf. Die Zeiten, in denen sich die Senatsverwaltung um den Wohnungsleerstand sorgte, sind schon lange vorbei. Dafür kämpft nun die Schweiz mit verwaisten Wohnungen. Der Leerstand ist auf einem Rekordniveau, seit der Jahrtausendwende gab es dort nicht mehr so viele Wohnungen auf dem Mietmarkt – vor allem im Tessin. Warum Berlin, warum nicht ins schöne Tessin, könnte man sich also fragen, wenn man gerade in Kreuzberg eine Wohnung sucht. Schließlich war der Monte Verità mal ein Paradies für Hippies, Intellektuelle, Schriftsteller und Künstler. Die Bohème wohnt allerdings schon lange nicht mehr im Tessin – und ihre Verdrängung aus dem Paradies dürfte neben diversen Schweizer Volksentscheiden auch schnöde monetäre Gründe haben: 30 Euro pro Quadratmeter sind in der Schweiz keine Seltenheit. Davon ist man in Kreuzberg noch weit entfernt, aber wenn die Wohnungspolitik des Senats so weitergeht wie bisher, ist Berlin vielleicht bald das neue Tessin. mme
Preis und Gewinn
Deine Preise. »Als ich während des Essens gefragt worden bin, wie hoch denn die Preissumme sei, war mir zum erstenmal richtig zu Bewusstsein gekommen, dass der Preis mit gar keiner Summe verbunden war. Meine Demütigung empfand ich damit erst recht als gemeine Unverschämtheit«, schrieb der österreich­ische Dichter Thomas Bernhard einst, der Preisverleihungen verachtete und sie wegen ihrer »Geschmacklosigkeit und Gedankenlosigkeit« verspottete. All das ist lange her, seitdem hat sich selbstverständlich viel geändert, Preisverleihungen sind heutzutage… Ja, wozu sind sie denn eigentlich gut, fragt man sich. Erst recht, wenn prekär lebende Künstler und solche, die im Underground vor sich hinwurschteln, nicht zu den Profiteuren zählen? Auch der jüngst von Vertretern der Musikbranche ins Leben gerufene Pop-Kultur-Preis bemüht sich offensichtlich nicht, etwas anders zu machen. Jan Böhmermann, Moderat, Bosse, Deichkind – lauter berühmte Männer, die am Samstag in Berlin ausgezeichnet wurden. Und: Peaches und Mine. Als Alternative zum Branchenpreis Echo will der Pop-Kultur-Preis verstanden werden, weil er sich nicht nach Verkaufszahlen richte, sondern nach sogenannten künstlerischen Kriterien vergeben werde. Die Mechanismen der Branche festigt die wenig originelle Neuerung nur noch mehr. Thomas Bernhard hätte es vorgezogen, zu Hause zu bleiben. oko