: Kroatien nach den Parlamentswahlen

Und das Ganze wieder von vorn

In Kroatien zeichnet sich nach den Parlamentswahlen eine Neuauflage der konservativen Regierungskoalition ab, die schon nach fünf Monaten gemeinsamen Regierens gescheitert war.

Weil die Regierungskoalition aus der nationalkonservativen Partei HDZ und der wirtschaftsliberalen Partei Most (Brücke) nach nur fünf Monaten zerbrochen war, wurde in Kroatien am Sonntag zum zweiten Mal innerhalb von zehn Monaten der Sabor, das Parlament, gewählt. Die HDZ kann mit 61 Mandaten rechnen, während das von der sozialdemokratischen SDP angeführte Mitte-links-Bündnis auf 54 Sitze kommt. Die Wahlbeteiligung lag bei 52,38 Prozent und somit etwa acht Prozent niedriger als bei den vergangenen Wahlen im November 2015. Auch zusammen mit den 13 Sitzen der drittstärksten Partei Most würde es für keine der beiden Parteien zu einer Mehrheit in dem 151 Sitze zählenden Parlament reichen. Dennoch kommt Most die Schlüsselrolle für die Bildung einer Koalition zu. Die Partei hat sich anfangs erfolgreich als postideologische Wirtschaftspartei verkauft, obwohl sie ideologisch klar verortet ist. Der Parteivorsitzende Božo Petrov unterhält enge Beziehungen zur katholischen Kirche und die gesellschaftspolitischen Vorstellungen von Most sind in Teilen erzkonservativ.
Ein Zusammenschluss aus HDZ, Most und einigen Kleinparteien sowie Minderheitenvertretern gilt als das wahrscheinlichste Ergebnis der Regierungsbildung. Das wäre eine Neuauflage der nach gerade einmal fünf Monaten gescheiterten Regierung. Der neue HDZ-Vorsitzende Andrej Plenković gilt als moderater Konservativer, der sich als Europapolitiker Renommee erarbeitet hat. Vor allem die linken und liberalen Kräfte in Kroatien hoffen auf den moderaten Plenković. Die Regierungskoalition aus Most und HDZ forcierte bislang nämlich einen scharfen Rechtskurs. Es wurden Listen von »Volksverrätern« erstellt und Kulturschaffende sowie unabhängige Journalisten gegängelt. Vor allem Minderheitenvertreter zeigten sich schockiert über Politik und Rhetorik der Regierung. Vertreter der serbischen Minderheit und der jüdischen Gemeinden forderten mehrfach den Rücktritt des Kulturministers Zlatko Hasanbegović, dem sie vorwerfen, den Holocaust zu relativieren und Sympathien für die Nazikollaborateure der Ustascha zu hegen (Jungle World 15/2016). Inzwischen ist Hasanbegović der stellvertretende Vorsitzende der HDZ und könnte damit eines Tages Plen­kovićs Nachfolger werden. Die Partei besteht aus einem nationalkonservativen und einem rechtsextremen Flügel, der vor Sympathiebekundungen für die Ustascha und verurteilte Kriegsverbrecher der neunziger Jahre nicht zurückscheut. Dahinter steht eine Ideologie, in der sich Geschichtsrevisionismus und Vorstellungen von illiberaler Demokratie à la Viktor Orbán mischen.
Ein Überraschungserfolg gelang mit acht Mandaten der neuen linken Partei Živi zid (Lebende Mauer) um den 26jährigen Vorsitzenden Ivan Vilibor Sinčić. Die Wurzeln der Partei liegen im Kampf gegen Zwangsräumungen. Im Zuge der Wirtschaftskrise mussten viele Menschen in Kroatien ihre Wohnungen und Häuser verlassen. Aus der Bewegung wurde letztlich eine linke Partei. Deren Wählerschaft setzt sich vor allem aus denjenigen zusammen, die unzufrieden mit der EU-Mitgliedschaft sind und sich nicht dem vermeintlichen Diktat der Banken beugen wollen. Die Partei macht zudem durch Forderungen nach wirtschaftlichem Protektionismus und mit antiamerikanischen Ressentiments auf sich aufmerksam. Einen großen Teil des 72 Seiten langen Wahlprogramms macht die Wirtschaftspolitik aus, die wieder unabhängiger werden soll. »Souveränität« ist eines der Leitmotive der Parteianhänger, die Verachtung gegenüber den etablierten Parteien ist deutlich. »Wir werden mit niemanden koalieren. Wir werden nicht der Wundverband einer eiternden Wunde der großen Parteien sein. Es ist an der Zeit, dass sie langsam verbluten«, sagte Sinčić nach Bekanntwerden der Wahlergebnisse.
Eine große Koalition ist aufgrund der anhaltenden Konflikte zwischen Sozialdemokraten und Nationalisten sehr unwahrscheinlich. Diese beschimpfen sich gegenseitig gerne als Kommunisten beziehungsweise als Ustascha-Anhänger. Bei derben persönlichen Auseinandersetzungen zwischen Spitzenpolitikern der beiden Volksparteien werden selbst die Mütter der Kontrahenten nicht verschont. Allerdings können sich beide darauf einigen, dass die serbische Minderheit im Land irgendwie an vielen Problemen schuld sei.
Die Beziehungen zu Serbien litten wegen der Aufhebung eines Urteils gegen den mutmaßlichen Kriegsverbrecher Branimir Glavaš, der die Tötung von serbischen Zivilisten im Kroatienkrieg der neunziger Jahre angeordnet haben soll, und wegen der juristischen Rehabilitierung von Kardinal Stepinac, dem die Serben vorwerfen, ein Nazikollaborateur gewesen zu sein. Außerdem blockierte Kroatien zeitweise die EU-Beitrittsverhandlungen mit Serbien. Der sozialdemokratische Spitzenkandidat, der ehemalige Ministerpräsident Zoran Milanović, tat sich im Wahlkampf mit antiserbischer Rhetorik hervor und überflügelte hier sogar die Konkurrenz der HDZ. Bei einem Treffen mit kroatischen Veteranen sagte er über das Nachbarland Bosnien und Herzegowina zudem: »Das ist kein Land, das ist eine große Scheiße.« Den Streit mit den Nachbarn nutzten beide großen Parteien, um sich im Wahlkampf zu profilieren und als heimatliebend zu inszenieren.