Don Buchla ist tot. Ein Nachruf

Der Westküsten-Weirdo

Der Synthesizer-Guru Don Buchla ist tot.

Bob Moog oder Don Buchla? Nur Krämerseelen wollen unbedingt wissen, wer zuerst da war. Abgesehen davon, dass diese Frage aus vielen Gründen nicht abschließend geklärt werden kann, ist sie für den Verlauf der Musikgeschichte irrelevant. Denn Moogs Synthesizer stehen nicht deshalb heute in so vielen Studios und auf Bühnen herum, weil der Erfinder zufällig mit dem Lötkolben schneller war. Er verfolgte eine andere Philosophie als Buchla. Eine angepasstere, könnte man sagen – auch wenn es unredlich ist, die beiden Tüftler gegeneinander auszuspielen. Schon allein, weil der 2005 gestorbene Moog als Bewunderer Buchlas galt.
»Schaltkreise interessieren mich nicht«, sagte der 1937 geborene Don Buchla einmal. Für einen Physiker eine bemerkenswerte Aussage. Buchla hatte sein Studium in Berkeley abgeschlossen, kurz bevor die Universität zu einem wichtigen Ort studentischer Opposition wurde. 1962 gründete er seine eigene Firma, Buchla and Associates, und arbeitete mit dem auf experimentelle Klangkunst spezialisierten San Francisco Tape Music Center zusammen. Gemeinsam mit Morton Subotnick, einem heute noch tätigen Avantgarde-Komponisten, stellte er 1963 seinen ersten modularen Synthesizer fertig. Bis das Gerät in den Verkauf gehen konnte, verstrichen drei weitere Jahre.
Obgleich die Buchla 100 Series nach den Prinzipien der Klangsynthese arbeitete, bezeichnete Buchla seine Instrumente nicht als solche. Er zog es vor, sie als eigenständige Beiträge zur »großen Familie elektronischer Instrumente« zu betrachten. Tatsächlich unterschied sich Buchlas Ansatz fundamental von dem, was Moog zur gleichen Zeit an der Ostküste fabrizierte. Moog gab den Musikern, was sie verstanden: Tasten. So ließen sich seine Synthesizer bequemer in gängige musikalische Arbeitsweisen integrieren. Und Buchla? Hatte eindeutig die schrägeren Ideen, mit denen er einen eigenen Seitenarm der Geschichte der Musikinstrumente begründete.
»Ich designe meine Instrumente von außen nach innen«, sagte er. Während der Künstler Walter Carlos, der später zu Wendy Carlos werden sollte, an der Ostküste Werke von Bach auf Moog-Synthesizern interpretierte, legte Buchla keinen Wert darauf, klanglichen Vorlagen zu folgen. Er war auf der Suche nach neuen Spielweisen, die sich von denen traditioneller Instrumente unterschieden. An die Stelle der Klaviatur traten bei Buchla Touchplates, berührungsempfindliche Kontaktstreifen. Für die Bedienung dieser sonderlich angeordneten Metallstreifen gab es keine Vorbilder, kein richtig oder falsch. Man musste seine eigene Spielweise finden, so wie besagter Morton Subotnick, dessen Frühwerk »Silver Apples of the Moon« von dieser Suche zeugt. Möge die Technik auch weiterentwickelt werden, ein gutes Interface werde niemals obsolet, glaubte Buchla.
Wer aber sollte diese Geräte kaufen? Moogs Synthesizer wurden immer kleiner, komfortabler für tourende Musiker und noch dazu erschwinglich: Der 1971 eingeführte Minimoog wurde zum beliebtesten monophonen Synthesizer der siebziger Jahre. Buchlas 100 Series hingegen fand kaum Absatz – außer einigen Akademikern, versprengten Musikern und anderen weirdos interessierte sich kaum jemand für diese seltsamen Instrumente. Die Produktion der Series 100 wurde nach kurzer Zeit eingestellt. Dass weitere Instrumente folgten, änderte nichts daran, dass Buchlas Geräten der große Erfolg verwehrt blieb. Glaubt man den Geschichten, die über Buchla erzählt werden, hat ihn das jedoch wenig interessiert.
Seine Instrumente, die seit 2012 von der Firma Buchla Electronic Instruments verkauft werden, sind bis heute so teuer, dass sie sich kaum jemand leisten kann. Der kultischen Verehrung Buchlas tut das selbstverständlich keinen Abbruch. Synthesizer-Enthusiasten gilt er als genialer Querkopf, als Buckminster Fuller der Musikinstrumente, als Guru könnte man sagen, dessen Sicht auf das, was Musik ist und was sie sein könnte, visionär war. Am 14. September ist er im Alter von 79 Jahren gestorben. Künstler wie Alessandro Cortini und Kaitlyn Aurelia Smith benutzen seine Geräte und tragen die Ideen Buchlas weiter. Wie es sich für das Erbe eines Gurus gehört.