Falscher Glaube

Islamisten sind ja ein recht dankbarer Empörungsmob. Ihre Frustrationstoleranz ist so unterirdisch niedrig, dass eine kleine Anmerkung etwa dazu, dass nicht alles, was im Koran geschrieben steht, besonders progressiv, durchdacht oder realitätsnah sein mag, sie bereits zum Explodieren bringt. Basuki ­Tjahaja Purnama, der Gouverneur der indonesischen Hauptstadt Jakarta, hat es Ende September dennoch gewagt, bei einer Wahlkampfveranstaltung Verse einer Koransure, in der es darum geht, dass Muslime nicht Christen oder Juden als »Schutzherren« wählen sollen, weil sie sich dadurch mit ihnen gemein machten, mit der Bemerkung zu zitieren, man solle sich davon nicht abhalten lassen, ihn zu wählen, nur weil manche Religionsgelehrte diese Verse als Argument gegen ihn anführten. Purnama gehört nämlich zur chinesischen Minderheit und ist Christ, während ungefähr 90 Prozent der Bevölkerung Indonesiens muslimisch sind. Einst Stellvertreter des Gouverneurs Joko Widodo, übernahm er vor zwei Jahren dessen Posten, als Widodo zum Präsidenten gewählt wurde. Im Februar will Punama sich zur Wahl stellen, er liegt in Umfragen derzeit deutlich vor den anderen Kandidaten. Beliebt machte sich der 50jährige vor allem durch seinen Einsatz gegen Korruption und überbordende Bürokratie, die Ausweitung von kostenloser Gesundheitsversorgung und Bildung sowie Maßnahmen zur Reduktion von Verkehrsstaus. Kritik erntete er von Menschenrechtsorganisationen für die gewaltsame Räumung von Armenvierteln. An seiner Politik haben die Islamisten aber nichts auszusetzen, Anlass einer islamistischen Großdemonstration am 4. November in Jakarta war einzig Purnamas Aussage von Ende September. Etwa 50 000 Menschen nahmen teil und sparten nicht mit Morddrohungen gegen ihn, da er ihre Religion beleidigt habe. Gegen Abend kam es trotz eines großen Polizei- und Militäraufgebots zu Ausschreitungen. Dabei hatte sich Purnama zuvor entschuldigt, er habe nie die Absicht gehabt, mit seiner Aussage jemanden zu beleidigen. Recht hatte er aber sicher.