»Ignorieren, Relativieren und Aufrechnen«

Jürgen Kasek, der Landesvorsitzende der sächsischen Grünen, berichtete am Sonntag auf Twitter von Angriffen rechter Hooligans auf ihn in einem Regionalzug. Der Rechtsanwalt aus Leipzig engagiert sich schon lange gegen Neonazis und Rassismus. Die Jungle World sprach mit dem 35jährigen.

Was ist genau passiert, als Sie am Sonntagnachmittag mit Ihren drei Parteifreundinnen unterwegs waren?
Wir waren von Erfurt auf dem Rückweg nach Leipzig und mussten in Naumburg umsteigen. Unser Regionalzug kam aus Jena und war bereits relativ voll – auch erkennbar mit 50 bis 60 Hooligans von Lok Leipzig und Polizisten in den jeweiligen Eingangsbereichen. Wir wollten dann im Eingangsbereich stehen bleiben, doch die Polizei hat gesagt, das gehe nicht. Als wir weiter hineingegangen sind, bin ich erkannt und sofort angepöbelt worden. Schnell kam eine Flasche geflogen, die mich am Kopf traf. Ich bin dann die Treppenstufen hinunter, weil ich der Polizei davon berichten und sie um Schutz bitten wollte. Aber bevor ich dazu kam, wurde ich von den Beamten bereits aufgefordert, den Zug zu verlassen. Einer aus der Gruppe der Angreifer brüllte derweil weiter: »Der Kasek, der Kasek!« Wir standen dann zu viert verunsichert auf dem Bahnsteig. Die Hooligans haben von innen gegen die Fenster gehämmert. Die Polizei hat verhindert, dass sie uns folgen, und uns nachdrücklich aufgefordert abzuhauen. Der Zug fuhr schließlich mit den Angreifern, aber ohne uns ab.
Waren Ihnen die Angreifer bekannt?
Einige Meter weiter saß zum Beispiel Benjamin Brinsa, ein bekanntes Mitglied der rechten Free-Fight-Szene. Ich habe inzwischen mit dem Verein Lok Leipzig gesprochen, wo man mir bestätigte, dass es vor allem die rechtsextreme Hooligan-Gruppe um Brinsa ist, die immer wieder für Stress sorgt.
Wurden Sie schon einmal derartig bedroht?
Für die mit mir reisende grüne Bundestagsabgeordnete Monika Lazar war es das erste Mal. Ich habe Ähnliches schon häufiger erlebt, beispielsweise Mitte Oktober beim Pegida-Geburtstag in Dresden, als offene Drohungen etwa von der rechtsextremen »Brigade Halle« kamen. Im Juli sind Neonazis mit einem riesengroßen Banner direkt vor meiner Anwaltskanzlei aufgetaucht. Auch im Januar gab es ­bereits Provokationen. Drohungen und Beleidigungen gegen mich sind also nicht neu. Die Situation im Zug, mit einer wütenden und tobenden Menge konfrontiert zu sein, hatte ich in der Form noch nicht.
Wie beurteilen Sie das Verhalten der Polizei in Naumburg?
Ich hätte mir gewünscht, dass sie anders reagierte. Aber viele andere Möglichkeiten hatten die jungen Beamten, die in der Situation ein wenig überfordert wirkten, auch nicht. Deren Abwägung sah dann eben so aus, dass sie die kleinere Gruppe aus dem Zug hinausschicken, um so die Situation zu lösen.
Wie beurteilen Sie angesichts derartiger Bedrohungen den Umgang der sächsischen Landesregierung mit Neonazis?
Man muss zwar sehen, dass sich diese Situation in Sachsen-Anhalt zugetragen hat. Aber letztlich war es eine sächsische Geschichte: Ein sächsischer Landespolitiker trifft auf sächsische Hooligans, und auch die anwesende Bundespolizeieinheit war aus Sachsen. Generell ist in den vergangenen zwei Jahren viel von dem, was schon lange vorher an rechten Tendenzen, Rassismus und Ausgrenzung da war, an die Oberfläche gekommen. Die CDU-Landesregierung hat lange den Dreiklang aus Ignorieren, Relativieren und Aufrechnen gebracht: entweder man sieht gar keinen Rassismus, oder es war angeblich nicht so schlimm, oder es heißt, die Linken sind doch eigentlich viel schlimmer. Im Grunde genommen sorgt man sich nur um das Image Sachsens.