Kurznachrichten

Angemessene Reaktion
NSU. Bewegend war die Uraufführung der »NSU-Monologe« auf der Bühne des Heimathafens in Berlin-Neukölln – und das nicht nur wegen der großartigen Darbietung der Darstellerinnen und Darsteller von Elif Kubaşık, Adile Şimşek und İsmail Yozgat, drei Angehörigen von durch die Naziterroristen des NSU Ermordeten, die von dem gewaltsamen Verlust ihrer Ehemänner beziehungsweise der Trauer um den Sohn, aber auch über die anschließenden Verdächtigungen und Schikanen während der Ermittlungen der Polizei berichten. Dazu hatte das Netzwerk »Bühne für Menschenrechte« ausführliche Interviews mit den Angehörigen geführt – die emotionalen Reaktionen der anwesenden Elif Kubaşık waren indessen nicht minder bewegend. Wo der NSU beabsichtigte, Migranten aus Deutschland zu vertreiben, trägt das Stück dazu bei, dass die Geschichte der Migration Teil des kulturellen Selbstverständnisses wird. Angemessener kann man auf den neonazistischen Terror und das Versagen des deutschen Staates, die Taten des NSU auch nur ansatzweise im Sinne der Betroffenen aufzuklären, nicht reagieren. cm
Wenn Feierei was zählt
Fabric. Wo von Gentrifizierung gesprochen wird, liegt die Rede vom sogenannten Clubsterben nahe – ob nun von realen Ereignissen die Rede ist oder nicht. Barcelona? Da geht’s doch den guten Läden an die Krägen! New York? Die coolen Kaschemmen haben bekanntermaßen vor Jahren dichtgemacht! Und Paris – ach, lassen wir das. Am 6. September wurde nach über anderthalb Jahrzehnten das Fabric in London geschlossen. Ein riesiger Club, eine international bekannte Institution und ein Ort, der in die Schlagzeilen geriet: Drogenmissbrauch, zwei Todesfälle in diesem Jahr. Die tragischen Ereignisse boten nur einen willkommenen Vorwand, vermutete man, dem Independent zufolge sei die Schließung das Ergebnis langfristiger Planungen. Wie dem auch sei: In Großbritannien engagiert man sich seit jeher in besonderem Maße für die Feierei. Die Petition für die Wiedereröffnung des Fabric wurde von 150 000 Menschen unterzeichnet, 300 000 Pfund wurden für Gerichtskosten etc. gesammelt und eine Mammutkompilation wurde erarbeitet. Drei Wochen hat man gebraucht, 111 Tracks sind auf »#save­fabric« versammelt, bislang unveröffentlichtes Material von μ-Ziq, Abul Mogard, Clark, Fis, Ikonika, Kuedo, Machinedrum, Skream, Telephone Tel Aviv, Vatican Shadow und vielen anderen. Dafür wären andernorts Jahre verwalterischer Tätigkeit erforderlich gewesen. oko
Er nennt es Performance
Guter Job. Es gibt Leute, die im Schlaf Geld verdienen. Ärzte oder Rettungssanitäter etwa während der Rufbereitschaft. Was sie von dem französischen Künstler Virgile Novarina unterscheidet? Im Zweifel müssen sie nachts raus. Eine Ungewissheit, die viele von ihnen in Unruhe versetzt und kein Auge zu­machen lässt. Novarina passiert das nicht. »Mit großer Konsequenz erforscht Virgile Novarina mit künstlerischen Mitteln den Schlaf als unbekannte Lebenszeit«, begründet die Jury die Verleihung des mit 7 500 Euro dotierten Modersohn-Becker-Preises an Novarina. Der Schlaf ist Novarinas Lebensprojekt, seit über 20 Jahren wolle er unbedingt herausfinden, »was uns im Schlaf ausmacht, wer wir sind und was wir während dieser langen Zeit unseres Lebens nicht über uns wissen«. Während seiner Performance »En somme« schläft der Künstler in der Öffentlichkeit – seit 1995 dokumentiert er seine Schlaforte und notiert, was ihm durch den Kopf geistert, sollte er doch des Nachts mal aufwachen. Nur konsequent, dass er seine Preisverleihung verschlief. Er freilich nannte es Performance. oko