Der Verfassungsschutz warnt Flüchtlingshelfer vor »extremistischen und geheimdienstlichen Aktivitäten«

Sehr geehrtes Bundesamt für Verfassungsschutz,

mit Interesse haben wir Ihre Broschüre »Wie erkenne ich extremistische und geheimdienstliche Aktivitäten? Eine Handreichung für Flüchtlingshelferinnen und -helfer« zur Kenntnis genommen. Gerne kommen wir hiermit Ihrer Aufforderung nach, sich mit sachdienlichen Hinweisen an die Polizei oder die jeweiligen Landesämter Ihrer Behörde zu wenden.
Das Beobachten von »islamistischen Aktivitäten mit Flüchtlingsbezug« ist zugegebenermaßen nicht unser Spezialgebiet; besser können das aber offenbar die Flüchtlinge selbst, wie die Erfahrungen aus der Terrorfahndung in Sachsen zeigen – besser jedenfalls als die Behörden. Von einer allzu vertrauensvollen Zusammenarbeit mit den betreffenden Institutionen raten wir Ihnen daher ab.
Als nächsten Punkt führen Sie den »nichtislamistischen Ausländerextremismus« an, der auf den ersten Blick schwer überschaubar scheint, denn er beinhaltet ihrenen Ausführungen zufolge »Ideologieelemente aus dem Rechts- und Linksextremismus, einige Organisationen verfolgen auch separatistische Bestrebungen«. Da ist es nur pragmatisch, dass Sie den Fokus im Folgenden ausschließlich auf die kurdische PKK und mit ihr verbundene Organisationen richten, das ist schon unübersichtlich genug. Als »Hinweis auf extremistische Bestrebungen« unter Kurden nennt Ihre Broschüre unter anderem »die Thematisierung der Situation des inhaftierten PKK-Führers Abdullah Öcalan und die Forderung nach dessen Freilassung«. Heißer Tipp: Da sollten Sie die Kollegen vom BND mal auf die Anwaltskanzlei Asrın aufmerksam machen, die Öcalan vertritt.
Des Weiteren warnen Sie vor jenen, die die »Errichtung eines politischen Systems« anstreben, »das durch die Beseitigung jeglicher demokratischer Beteiligungsmöglichkeiten, die uneingeschränkte Alleinherrschaft einiger weniger Personen sowie die rigide Verfolgung und Unterdrückung politischer Opposition gekennzeichnet ist«. Da könnte man sicher in der AfD oder auch unter Erdoğan-Anhängern fündig werden. Gemeint sind allerdings »Linksextremisten«, die eine gesellschaftliche Ordnung »nach anarchistischen Grundsätzen oder Theorien« anstreben, »die sich auf Karl Marx beziehen«. Sicher macht Ihnen die Auswertung Ihrer diversen Quellen schon viel Arbeit, wir möchten Sie dennoch zusätzlich auf eine gewisse Internet-Enzyklopädie namens »Wikipedia« aufmerksam machen; am besten beginnen Sie beim Stichwort »Anarchismus«.
Danke allerdings für Ihre Warnung, dass diese perfiden Linksex­tremisten sich »mit Flüchtlingen solidarisch« zeigen und diese unterstützen, um so »den deutschen Staat durch den Vorwurf der strukturellen, rassistisch motivierten Benachteiligung von Zuwanderern« zu delegitimieren. Wir wären sonst fast auf die Idee gekommen, dass Linke einfach jenen Anstand zeigen, an dem es dem Staat mangelt.
Schlimm außerdem, dass die Linksextremisten sich denen entgegenstellen, die Sie unter dem Punkt »Rechtsextremismus« behandeln. Dazu zählen Sie »Personen oder Gruppen, die Flüchtlinge und Flüchtlingshelfer tätlich angreifen, rassistische Aufkleber oder Graffitti anbringen« oder auch »gezielt eine flüchtlingsfeindliche Stimmung erzeugen«. Da könnten wir so einige Namen aus Medien und diversen Parteien nennen, aber das würde den Rahmen sprengen. Wir möchten Sie daher nur auf eine Gruppe hinweisen, die Ihrer Definition in hohem Maße entspricht. Sie nennt sich AfD und ist Ihrer geschätzten Aufmerksamkeit bisher entgangen. Mit der Hoffnung, Ihnen geholfen zu haben,
Svenna Triebler, im Auftrag
der Arbeitsgruppe Innere Sicherheit
der »Jungle World«