Die Reaktionen der EU auf den Wahlsieg Donald Trumps

Verkrampfte Grüße aus Brüssel

Die Wahl Donald Trumps zum 45. Präsidenten der USA hat die EU mindestens so kalt erwischt wie der Ausgang des Referendums über den Verbleib Großbritanniens in der EU.

Amerika könne wählen »zwischen dem Besten – einer Frau als Präsidentin – und dem Schlimmsten – einem populistischen Provokateur« im Weißen Haus. »Ich bin zuversichtlich«, hatte noch am Vortag der US-Präsidentschaftswahl EU-Kommissar Pierre Moscovici getwittert. Tags drauf herrschte Katerstimmung in Brüssel. Auch die traditionellen Glückwünsche an die Adresse des Wahlsiegers vermochten das nicht zu überspielen. Eine Woche später scheint noch immer Ratlosigkeit das vorherrschende Gefühl zu sein. Als EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini am Tag vor dem Treffen der EU-Außenminister den künftigen europäischen Umgang mit dem frisch gewählten Donald Trump bei einem informellen Abendessen besprechen wollte, blieben einige Stühle leer.
Das lag zum einen daran, dass manche, wie etwa Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán, Trumps Wahl »als großartige Nachricht« begrüßten und vorerst wenig Diskussionsbedarf hatten. Der ungarische Außenminister bezeichnete die Antwort der EU auf den Ausgang der US-Wahl als »hysterisch«, und auch sein britischer Amtskollege Boris Johnson sah »keinen Grund für ein solches Treffen«. Doch auch solche, die Trumps Sieg wenig Positives abgewinnen können, hatten es offensichtlich nicht eilig damit, sich EU-intern über ein gemeinsames Vorgehen abzustimmen. Der französische Außenminister Jean-Marc Ayrault zog ein Treffen mit dem neuen UN-Generalsekretär in Paris dem Dinner in Brüssel vor, und Frank-Walter Steinmeier reiste erst zum Dessert an.
So wurde Mogherinis Aufruf, nun sei mehr denn je eine verstärkte Zusammenarbeit der EU in der Sicherheits- und Verteidigungspolitik gefragt, noch am selben Sonntagabend von einer Nachricht aus New York übertönt. Dort hatte soeben Trump erstmals einen Vertreter der EU empfangen: Er hatte sich ausgerechnet für Nigel Farage, den Europaabgeordneten der britischen Partei Ukip entschieden, den vehementesten Befürworter des EU-Austritts Großbritanniens. Farage hatte die Wahl Trumps neben dem Ausgang des britischen Referendums als »eine der großen Revolutionen im Jahr 2016« ebenso begrüßt wie Marine Le Pen, die Vorsitzende des rechtsextremen Front National, die in einem Interview mit BBC an jenem Tag ihre Chancen auf die französische Präsidentschaft steigen sah.
Dem Jubel der Rechten versuchten die etablierten Parteien in Brüssel ähnlich wie nach dem britischen Referendum die Botschaft eines »europäischen Weckrufs« entgegenzusetzen. »Wir müssen selbstsicherer und verantwortungsvoller werden«, twitterte der Vorsitzende der Europäischen Volkspartei und CSU-Europaabgeordnete Manfred Weber. Sein sozialdemokratischer Kollege Gianni Pittella bezeichnete Trump als »den Ausdruck eines Virus, der sich in den USA und in Europa ausbreitet«, und verlangte, dass künftig in der EU-Politik »die Sorgen der Menschen ernst genommen werden«. Auch Pierre Moscovici erkannte in der US-Wahl den Ausdruck einer »Anti-Establishment-Bewegung«, die es auch in Europa gebe, und rief dazu auf, »die Ungleichheiten in unserer Gesellschaft zu bekämpfen«.
Solche oberflächlichen Wahlanalysen machten vor allem deutlich, dass die etablierten Parteien weitaus mehr Fragen als Antworten hinsichtlich der von Trump zu erwartenden Politik haben, während die Rechte unmittelbar an die ersten Verlautbarungen des Republikaners anknüpfen kann. Als Ausdruck der europäischen Ratlosigkeit können die widersprüchlichen Aussagen des Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker in den Tagen nach der US-Wahl gelten. Während der Luxemburger einerseits einen »neuen Anlauf zur Diskussion der EU-Verteidigungspolitik bis hin zum Aufbau einer Europäischen Armee« forderte, stellte er mit Blick auf die politische Rechte klar, nun sei nicht der Moment, von mehr europäischer Integration zu reden, weil derzeit niemand »die Vereinigten Staaten von Europa erleben« wolle.
Man müsse »sehr auf die Wortwahl achten, wenn man über die Zukunft redet«, mahnte Juncker, der jedoch in einer Diskussion mit Jugendlichen nicht davor zurückschreckte, öffentlich Lektionen in Richtung USA zu erteilen. Weder »die politische Klasse noch das einfache Amerika interessieren sich für Europa«, so Juncker. »Meiner Meinung nach werden wir zwei Jahre lang Zeit verlieren, bis Herr Trump um die Welt gereist ist, die er nicht kennt.« Wie »sinnvoll« die EU diese Zeit nutzen wird, ist indessen ebenso ungewiss.