Das Medium

Die Postings besorgter Bürger

Warum Leute, die ohnehin alles, was nicht in ihrem Sinne berichtet, für Lügenpresse halten, nichts Schöneres kennen, als ARD und ZDF tagtäglich auf Twitter und Facebook vorzuwerfen, dass dieses oder jenes Thema nicht in ihren Hauptnachrichtensendungen vorgekommen sei – man ahnt es nicht. Oder vielleicht ahnt man es schon, denn es scheint so zu sein, dass genau diese Leute, die von anderen gern als »Schlafschafen« reden, die dringend »aufwachen« müssten, allen Ernstes an die allumfassende Macht der Lügenpresse glauben. Und deswegen denken, dass eine Eineinhalb-Minuten-Meldung un­erhört wichtig sei, um »das System« zu zerstören. Oder vielleicht glauben sie auch nur, dass es Millionen und Abermillionen Menschen gibt, die nur »Tagesschau« oder »Heute« gucken und ansonsten völlig uninformiert vor sich hin leben. Und das völlig isoliert, so dass sie weder zufällig irgendwo Zeitungsschlag­zeilen oder Digital-News mitbekommen oder in Gesprächen über Neuigkeiten informiert werden. Das wäre jedenfalls eine Er­klärung, warum es vor Beschwerden über in den Nachrichtensendungen nicht Vermeldetes nur so wimmelt. Im Fall des 17jährigen Flüchtlings, der in Freiburg eine junge Frau vergewaltigt und umgebracht haben soll, liefen die besorgten Bürger zur Höchstform auf. Neben vielen Klagen darüber, dass ARD und ZDF nicht in »Tagesschau« und »Heute« darüber berichtet hatten, posteten sie ganz ungeniert jede Menge Kommentare und Bildchen, die deutlich zeigten, wie sehr ihnen das Schicksal des Opfers eigentlich am Arsch vorbeigeht. Denn neben An­griffen auf die Familie, die um Spenden für die Flüchtlingshilfe bat, wurden sehr unschöne retuschierte Fotos verbreitet, die nichtrechte Frauen als begeisterte Vergewaltigungsopfer zeigen plus kaum verhohlene Freude, dass es denen recht geschieht.