Nach den Wahlen in Gabun und Gambia ist die Lage in den beiden Ländern angespannt

Manipulieren statt verlieren

In Gabun hat sich die Lage auch Monate nach den umstrittenen Präsidentschaftswahlen nicht beruhigt. In Gambia hingegen konnte der autokratische Präsident abgewählt werden. Akzeptieren will er seine Niederlage aber offenbar nicht.

»In Afrika organisiert man keine Wahlen, um zu verlieren.« Diese praxis­orientierte Weisheit stammte von Omar Bongo, dem Präsidenten, der 42 Jahre lang die zentralafrikanische Erdölrepublik Gabun regierte und es also wissen musste. Zwar trifft der Wahlspruch des als Albert-Bernard Bongo geborenen Mannes, der seine Karriere zu Kolonialzeiten als Mitarbeiter des französischen Militärgeheimdiensts begonnen hat, nicht auf alle Länder des Kontinents zu. Die jüngste Präsidentschaftswahl in Ghana (siehe Artikel oben) etwa belegt, dass auch in Afrika freie Wahlen stattfinden können. Aber Gabun zählt nicht zu den Ländern, in denen solche Standards durchgesetzt worden sind.
Der langjährige Autokrat Omar Bongo starb im Juni 2009 in einem Krankenhaus in Barcelona. Kurz nach seinem Ableben übernahm einer seiner Söhne, der zuvor als Verteidigungs­minister amtierende Ali Bongo, die Staatsführung, Ende August 2009 ließ er sich bei einer äußerst umstrittenen Wahl zum Präsidenten küren. Nun, sieben Jahre später, hat Ali Bongo erneut versucht, sich offiziell im Amt bestätigen zu lassen. Die Ergebnisse der Präsidentschaftswahl im August waren sehr umstritten, es gab Vorwürfe der Wahlmanipulation gegen die Regierung und Unruhen mit erheblich mehr Todesopfern durch staatliche Repression als noch 2009 (Jungle World 36/16). Damals waren 15 Menschen ums Leben gekommen. Die Opposition spricht von mindestens 500 Menschen, die nach den diesjährigen Wahlen bei Protesten erschossen, in Krankenhausbetten oder auf Polizeiwachen ermordet wurden, doch sind diese Zahlen bislang nicht überprüfbar.
An Montag stellte die EU-Wahlbeobachtermission (MOE UE), die den Präsidentschaftswahlen beigewohnt hatte, ihren offiziellen Untersuchungsbericht vor. Dazu war eine Delegation in die gabunische Hauptstadt Libreville gereist. Zu Anfang des Monats war ihr Auftritt auf Verlangen des gabunischen Regimes verschoben worden. Der Bericht kommt zu dem Schluss, wegen der Hinweise auf Manipulationen müsse festgestellt werden, dass »die offensichtlichen Anomalien«, die beobachtet worden seien, »die Gesamtheit der Endergebnisse der Wahl in Frage ­stellen«. Einerseits ist der EU-Bericht damit an einem zentralen Punkt überraschend deutlich. Andererseits kommentieren Beobachter, er komme vielleicht zu spät, um noch Wirkung zu entfalten. Die MOE UE hatte bereits während ihrer Wahlbeobachtung entsprechende Vorbehalte geäußert. Ferner bleibt die EU-Mission zurückhaltend bei ihren Einlassungen zur Repression. Die Zahl der Toten nach den Wahlen vom 27. August wird mit »je nach Angaben fünf bis 100« angegeben. Die erste Zahl entspricht der offiziellen Darstellung der Regierung. Die Angaben der Opposition liegen wesentlich höher als bei 100 Toten.
In Gabun hat sich die Lage nach der manipulierten Wahl und der anschließenden Repression keineswegs beruhigt. Am 15. November begann ein politischer Streik im Bildungswesen und Ende November traten auch die Verwaltungsrichter für zunächst 14 Tage in den Ausstand. Mehrere Berufsgruppen lassen sich vom Regime nicht länger mit mageren Löhnen und leeren Versprechungen abspeisen, während eine schmale Oligarchie sich die auch illegal abgezweigte Ölrente mit Vertretern der französischen Oberschicht teilt. Gabun spielte jahrzehntelang eine Schlüsselrolle bei der außergesetzlichen Finanzierung von politischen Parteien in Frankreich, in die auch Öl­konzerne verwickelt waren. Nachdem im Erdölsektor wegen des gesunkenen Rohlölpreises Entlassungen angekündigt worden waren, drohte die Gewerkschaft ONEP Anfang Dezember ebenfalls mit Protesten. Auch das am 28. November vorgestellte neue Pressegesetz, das die Arbeit von Journalisten enorm einschränken soll, ist Gegenstand von Auseinandersetzungen. Am 3. Dezember wurden die ursprünglich im Laufe des Monats vorgesehenen Parlamentswahlen »wegen höherer Gewalt« auf unbestimmte Zeit verschoben.
Das Beispiel einer anderen Wahl in Afrika, etwa 3000 Kilometer weiter westlich, könnte die gabunische Opposition und Zivilgesellschaft ermutigen. Ursprünglich gingen fast alle Beobachter davon aus, die Präsidentschaftswahlen in Gambia am 1. Dezember würde der seit 1994 autokratisch regierende Präsident Yahya Jammeh durch Manipulation in jedem Fall gewinnen. Unter ihm verschwanden Tausende vermeintliche und tatsächliche Regierungsgegener gewaltsam. Selbst Die Welt kritisierte jüngst die Forderung des baden-württembergischen Innenministers Thomas Strobl (CDU), Gambia zum »sicheren Herkunftsland« für Asylsuchende zu erklären.
Doch die Wahlen endeten überraschend: Der oppositionelle Kandidat Adama Barrow wurde offiziell zum ­Sieger erklärt, Jammeh erkannte seine Niederlage zunächst an. Ende vergangener Woche behauptete der geschlagene Präsident dann jedoch, die Wahlergebnisse seien zu seinem Nachteil gefälscht worden. Er behauptete, sein Land solle dadurch von bestimmten unbeliebten Entscheidungen abgebracht werden. So erklärte Gambia am 25. Oktober seinen Austritt aus dem Inter­nationalen Strafgerichtshof und folgte darin dem Bespiel Südafrikas und der Diktatur in Burundi. Auch in Europa übernahmen verschwörungstheoretische Websites diese Darstellung.
Jammeh verkündete am Samstagabend, er werde das Wahlergebnis juristisch anfechten. Zugleich häuften sich Gerüchte über Putschvorbereitungen in der Armee, am Dienstag besetzten Sicherheitskräfte das Hauptquartier der Wahlkommission. Doch Jammeh muss möglicherweise nicht nur empörte Gambier fürchten. Am Montag erklärte der Kommissionspräsident der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft (ECOWAS), Marcel de Souza, es sei nicht ausgeschlossen, dass die Staatengruppe in Gambia interveniere, um Jammeh zum Rückzug von der Macht zu zwingen.