Die Hamburger Polizei verhindert die Aufarbeitung rechtswidriger Spitzeleinsätze

Polizei verhindert Aufklärung

In drei Prozessen hat Hamburgs Polizeiführung eingeräumt, dass die Einsätze verdeckter Ermittlerinnen rechtswidrig waren.

Maria B.s Einsatz als verdeckte Ermittlerin war rechtswidrig. Das bekannte das Justitiariat der Hamburger Polizei Ende Oktober vor dem Verwaltungsgericht Hamburg – und gab so einer Klägerin recht, die von der Beamtin zwischen 2008 und 2012 in Hamburgs linker Szene im Umfeld der Roten Flora bespitzelt worden war (Jungle World 29/16). Maria B. hatte während dieser Zeit eine drei Jahre währende Beziehung mit der Klagenden geführt. Es habe sich um ein »einseitiges Freundschaftsverhältnis« gehandelt, sagt deren Anwalt Gerrit Onken der Jungle World. Die betroffene Frau sehe sich »in ihrer Intimsphäre, in ihrem Persönlichkeitsrecht und in ihrer informationellen Selbstbestimmung massiv verletzt«. Maria B. sei in der Wohnung der Klägerin ein- und ausgegangen. Zudem habe B. durch sie Zugang zu politischen Gruppen und Freundeskreisen bekommen. B. und sie hätten gemeinsam für antirassistische Gruppen Flüge gebucht, wodurch die verdeckte Ermittlerin umfangreiche Personendaten erhalten habe. Das Vertrauen und die Zuneigung seiner Mandantin seien ausgenutzt worden. Die Folge, so Onken, sei eine »emotionale Verwüstung«.
Die Polizei gab mit ihrem Eingeständnis, dass der gesamte Einsatz von Maria B. rechtswidrig gewesen sei, zwar der Klägerin formal recht. Aber Anwalt Onken sagt auch: »Durch die schnelle Anerkennung ist eine inhaltliche Aufarbeitung jetzt nicht mehr möglich.« An dieser sei seine Mandantin interessiert. Doch eine Aufklärung vor dem Verwaltungsgericht wird nicht mehr stattfinden. Der Frau bleibt nur noch, auf Schmerzensgeld zu klagen. Die Berichte, die Maria B. über sie und mit ihren Informationen geschrieben hat, wied sie wohl nie zu sehen bekommen. Das Ausmaß der Verletzung der Privatsphäre bleibt ungeklärt. »Man glaubt sich in einer Liebesbeziehung und wird schamlos ausgebeutet für verdeckte Ermittlungen«, sagt die Hamburger Bürgerschaftsabgeordnete Christiane Schneider (Linkspartei) im Gespräch mit der Jungle World. »Da wird ein Grundvertrauen in andere Menschen angegriffen und potentiell zerstört, auf das jeder Mensch in seiner sozialen Existenz angewiesen ist.«
Mitte November war bekanntgeworden, dass Hamburgs Polizei in einem weiteren Prozess die Rechtswidrigkeit des Einsatzes der verdeckten Ermittlerin Iris P. zwischen 2001 und 2006 eingeräumt hatte. Auch in diesem Fall hatte eine ehemalige Beziehungspartnerin geklagt. In diesem Verfahren hatte das Justitiariat der Polizeiführung zuerst abgestritten, dass es überhaupt eine Partnerschaft gegeben habe. Der Sinneswandel hin zum Eingeständnis der Rechtswidrigkeit erfolgte hier wie in einem weiteren Prozess wegen des Einsatzes von Iris P. im Juli.
In diesem Verfahren hatte der Radiosender FSK gegen den Eingriff in die Pressefreiheit geklagt. P. hatte sich als Mitarbeiterin in verschiedene Radioredaktionsgruppen eingeschleust. Folge des Eingeständnisses der Polizei war auch hier ein schnelles Prozessende ohne juristische Aufarbeitung der konkreten Rechtsverstöße. Der pauschalen und folgenlosen Erklärung der Rechtswidrigkeit der vollständigen Einsätze war ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 20. April vorausgegangen. Darin legten die Richter fest, dass, anders als im Bundeskriminalamtsgesetz vorgeschrieben, für den Einsatz von verdeckten Ermittlern nicht nur eine staatsanwaltliche, sondern auch eine richterliche Genehmigung nötig ist.
Hamburgs rot-grüner Senat beeilte sich, diese Vorgabe zu übernehmen. Das Landesgesetz zur Datenverarbeitung der Polizei wurde im Juli entsprechend geändert. Die Gesetzesnovelle gab Hamburgs Polizeiführung und dem Staatsschutz beim Landeskriminalamt die Möglichkeit, sich einer juristischen Aufarbeitung der Rechtsverstöße in den verdeckten Ermittlungen von Iris P. und Maria B. zu entziehen. Im Fall der dritten nachträglich von Recherchegruppen aus dem Umfeld der bespitzelten Roten Flora enttarnten verdeckten Ermittlerin, Astrid O., gibt es noch keine Klage.