Wie sich die Linkspartei in Nordrhein-Westfalen auf die Landtagswahl vorbereitet

Traditionalisten, ehemalige Grüne, ein Antideutscher

Die Linkspartei in Nordrhein-Westfalen tritt mit einer Liste von Funktionären zur Landtagswahl im kommenden Jahr an. Auch im Fall eines Wiedereinzugs in den Düsseldorfer Landtag ist eine Regierungs­beteiligung unwahrscheinlich.

Marc Mulias erster Versuch, für den nordrhein-westfälischen Landtag zu kandidieren, sorgte für Erheiterung. Im Herbst 1994 trat Mulia auf dem Landesparteitag der Grünen in Recklinghausen gegen Michael Vesper an, damals neben Bärbel Höhn einer der beiden vorab ausgekungelten Spitzen­kandidaten. Nachdem Mulia eine engagierte und vor allem von den jüngeren Mitgliedern der Partei umjubelte Rede gehalten hatte, betrat Vesper die Bühne des Festspielhauses. Der großgewachsene Vesper schaute hinter dem Rednerpult verwundert auf den Boden, um dann mit den Worten »Hier steht ja ein Höckerchen« selbiges unter dem Gelächter des ganzen Saals quer über die Bühne zu kicken. Der eher kleine Mulia hatte sich zum Gespött des Parteitags gemacht und ging gegen Vesper, der weniger Monate später Landesminister für Bauen und Wohnen wurde und mittlerweile Vorstandsvorsitzender des Deutschen Olympischen Sportbundes ist, bei der späteren Abstimmung sang- und klanglos unter.
Am Samstag lief es für Mulia, dessen Weg von den Grünen über die WASG zur Linkspartei führte, deutlich besser. Nach weiteren gescheiterten Versuchen, ein Mandat zu erhalten, gelang ihm in diesem Jahr im ersten Wahlgang der Sprung auf Platz vier der Landesliste seiner Partei zur Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen, die im kommenden Mai stattfinden soll. Wenn »Die Linke« die Fünf-Prozent-Hürde schafft, bekommt Mulia ein Landtagsmandat.
Der Landesverband vergab auf dem Parteitag die aussichtsreichsten 20 Listenplätze. Auf die ersten beiden kamen ohne Gegenkandidaten die beiden Landesvorsitzenden Özlem Alev Demirel und Christian Leye. Beide griffen die rot-grüne Landesregierung scharf an: Jedes fünfte Kind im bevölkerungsreichsten Bundesland lebe von Hartz IV, die Armut sei gewachsen, SPD und Grüne hätten versagt. Leye versprach einen harten Wahlkampf: »Wir werden SPD und Grünen nichts schenken, so wenig wie sie den Menschen in NRW etwas geschenkt haben.«
Der linkstraditionalistische Landesverband stellte für die Wahl vor allem Funktionäre auf. Sieben der ersten zwölf Listenplätze gingen an Mitglieder des Landesvorstands. Zu den wenigen bekannteren Gesichtern gehören auf dem fünften Platz die Armutsforscherin Carolin Butterwegge – Ehefrau von Christoph Butterwegge, Kandidat der Linkspartei für das Bundespräsidentenamt – und der ehemalige Landesvorsitzende der Linkspartei, Ralf Michalowsky, auf Platz zehn.
Auf den Listenplatz zwölf, der bei einem Ergebnis knapp über fünf Prozent gerade noch für den Einzug in den Landtag reichen könnte, schaffte es ein Überläufer. Daniel Schwerd hatte vergangenen Herbst die Piratenpartei verlassen. Der seitdem fraktionslose Landtagsabgeordnete trat im März der Linkspartei bei (Jungle World 11/16). Dass Schwerd den Wechsel nicht schon früher vollzog, mag auch am damaligen Parteisprecher Michalowsky gelegen haben, der Schwerd auf Twitter als »­antideutschen Spinner« bezeichnete; von denen gebe es in der Linkspartei leider schon genug. Schwerd hatte sich durch sein Engagement gegen Anti­semitismus für diese Charakterisierung qualifiziert. Für Michalowsky, dessen Weg zur Linkspartei über Zwischenstationen bei SPD, Grünen und WASG führte, offenbar schlimm genug. Im Wohnzimmer des ehemaligen Dozenten der Gladbecker Volkshochschule stand noch zu dessen SPD-Zeiten eine kleine Statue von Felix Dserschinski, dem Gründer des KGB-Vorgängers Tscheka. Michalowsky gefällt sich in der Rolle des orthodoxen Hardliners und ist dafür in der Linkspartei mit einer Karriere belohnt worden, die ihm in anderen Parteien trotz verzweifelter Versuche verwehrt geblieben war.
Mulia indes konzentriert sich auf das Thema Bildung. Die müsse unabhängig vom Geldbeutel sein. »Deshalb setze ich mich für die Abschaffung der Kita-Gebühren und der Gebühren für den offenen Ganztag ein«, so der studierte Pädagoge.
Ob die Linkspartei es mit dieser Liste weitgehend unbekannter Kandidaten in den Landtag schaffen wird, bleibt abzuwarten. Viele Protestwähler könnten sich im kommenden Jahr für die AfD entscheiden und auch das Verhältnis zu kurdischstämmigen Kreisen hat in den vergangenen Jahren gelitten. Seit die US-Luftwaffe und die nordsyrische Kurdenmiliz YPG gemeinsam gegen den »Islamischen Staat« vorgehen, werden dort die plumpen antiimperialistischen Sprüche aus der Linkspartei weniger geschätzt als früher.
Sollte die Partei, die bei Umfragen im Land zurzeit um die fünf Prozent pendelt, es in den Landtag schaffen, stehen die Chancen gut, dass sie einer Großen Koalition aus SPD und CDU den Weg bereitet. Dass sich eine Fraktion der Linkspartei in die dann seit ­sieben Jahren bestehende Koalition von SPD und Grünen einreiht, ist unwahrscheinlich. Zu weit liegen die Parteien auseinander, zu gering ist das Interesse der SPD, vor allem in der Sozialpolitik neue Wege zu gehen, zumal die chronischen Haushaltsprobleme des Landes dies nur ermöglichen würden, wenn Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) sich bei der Verteilung der Mittel mit den Grünen anlegen würde. Diesen Konflikt hat sie bislang immer gescheut.