In Dresden demonstrierten zum 13. Februar Hunderte Neonazis

Holocaust-Leugner unter sich

In Dresden konkurrierten zum Jahrestag der Bombardierungen vom 13. Februar 1945 mehrere Nazikundgebungen. Außer linken Blockade­versuchen wurde den Holocaust-Leugnern wenig entgegengesetzt.

Wann der 13. Februar in diesem Jahr stattgefunden hat, kann in Dresden keiner so genau sagen. »Morgen versuchen die Dresdner Einwohner, den Dresdner Naziaufmarsch, der gestern stattfand, mit einer Menschenkette zu verhindern«, schrieb eine Twitter-Userin am Sonntag sarkastisch. Tatsächlich folgten am Montag, dem kalendarischen 13. Februar, rund 12 000 Menschen dem Aufruf der städtischen »AG 13. Februar« und bildeten händchenhaltend einen Ring um die Altstadt. In dem Aufruftext hieß es: »Aus der Erfahrung der Zerbrechlichkeit unserer Werte wollen wir gemeinsam mit Ihnen ein Zeichen für Humanität und Menschlichkeit setzen.« Zur gleichen Zeit versuchte ein Dutzend Rechtsex­treme aus dem Pegida-Umfeld am Dresdner Neumarkt mit einer sogenannten Raucherpause die Zerbrechlichkeit von Werten praktisch zu ze­lebrieren. Ihr Auftritt an diesem 13. Februar blieb jedoch unscheinbarer als erwartet. Eine Reihe von Presseteams zog enttäuscht über die fehlenden ­Krawallbilder aus Dresden ab. Hatten rechte Gruppen doch in der Vorwoche alles dafür getan, um am 13. Februar »Großes« erwarten zu lassen.
In der Woche vor dem Jahrestag der Bombardierung der Stadt im Zweiten Weltkrieg gab es zahlreiche Veranstaltungen mit hohem Konfliktpotential, deren Bilder es bis in die Tagesschau schafften. Im Rahmen des Gedenkens wurden auf dem Neumarkt und dem Theaterplatz Installationen eröffnet, die den Krieg in Syrien und den Tod von Menschen auf der Flucht im Mittelmeer thematisieren. Beide Plätze sind in den vergangenen Jahren von Pegida genutzt worden. Die Umnutzung durch die Installationen rief unterschiedliche rechte Gruppen auf den Plan. So wurde Dresdens Oberbürgermeister Dirk Hilbert (FDP) am Dienstag vergangener Woche auf dem Neumarkt von einem tobenden Mob wütender Rentner empfangen, die oft auch bei Pegida oder den asylfeindlichen Aufmärschen der Dresdner »Wellenlänge« zugegen sind. Am Freitag voriger Woche stolzierte zur Eröffnung der Installation auf dem Theaterplatz das Who-is-Who rechter Bewegungen in der sächsischen Landeshauptstadt über den Platz. Neben der örtlichen NPD, der AfD, der »Einprozent«-Bewegung und kleineren asylfeindlichen Gruppen war auch Pe­gida-Frontmann Siegfried Däbritz vor Ort. Ein Transparent mit der Aufschrift »Erst Paul und dann Ali gedenken!« wurde hochgehalten. Im Anschluss gab es eine Kundgebung unter dem Motto: »Ist das Kunst oder kann das weg?«
Viele derjenigen, die am Dienstag und Freitag gegen die Eröffnung der Kunstinstallationen demonstriert hatten, sah man am Samstag bei der von Gerhard Ittner angemeldeten Demons­tration wieder. Während der verurteilte Holocaust-Leugner in anderen Städten für seine Aufzüge maximal 30 Menschen mobilisieren kann, wurden es in Dresden rund 150. Neben den Pegida-Anhängern waren es vor allem Holocaust-Leugner wie Sylvia Stolz und Bernhard Schaub sowie eine größere Gruppe von Verschwörungstheoretikern der Montagsmahnwachen, die sich dort zusammenfanden. Nachdem es ihm nicht zügig genug losgegangen war, griff sich Anmelder Ittner persönlich die schwarz-weiß-rote Fahne eines Kameraden und eilte dem Demonstrationszug voran. Eine Blockade von Antifaschistinnen und Antifaschisten hielt den Zug bereits nach etwa 300 Metern auf und er musste von der Polizei umgeleitet werden. Nach weniger als einem Kilometer war Ittners Aufmarsch wieder vorbei. Ursprünglich war eine Route durch die Dresdner Neustadt geplant. »Wir sollten uns darauf besinnen, was Adolf Hitler mit dem Nationalsozialismus dem deutschen Volk an die Hand gegeben hat und ins Wirken gesetzt hat. Es wäre ein Modell heute, für die ganze Welt«, rief Ittner seinen Kameraden bei der Abschlusskundgebung zu. Nach Angaben eines Polizeisprechers hat der Staatsschutz die Ermittlungen wegen des Verdachts auf Volksverhetzung übernommen, seine Rede konnte Ittner aber ungestört beenden.
Vor Ittners Demonstration hatten örtliche Neonazis ihren Unmut über die Aktivitäten des früheren DVU-Bundestagskandidaten geäußert. Sie beschwerten sich über »Bevormundungen ortsfremder Personenkreise, die ohne jedes Hintergrundwissen über die Zustände und stadtpolitischen Verflechtungen vor Ort, vor allem aber ohne jede Rücksprache« tätig würden. Im Zusammenhang mit Ittners Demons­tration sprachen sie von »Niveaulosigkeiten und haltlosen Anfeindungen«. Rund 650 Neonazis folgten dem Aufruf des Dresdner Kaders Maik Müller am gleichen Tag. Sie kamen vorwiegend aus den neuen Bundesländern. Vereinzelt waren auch Neonazis aus Tschechien, Serbien und der westdeutschen Neonaziszene zu sehen. Involviert ­waren die NPD, ihre Jugendorganisation JN, die Partei »Die Rechte«, die freie Kameradschaftsszene und Gruppen wie Thügida. Derzeit gibt es keine vergleichbaren Anlässe zu einer derart szeneübergreifenden Zusammenarbeit im extrem rechten Lager. Der Dresd­ner Aufmarsch hat sich damit wieder zu einem der größten regelmäßigen Neonaziaufmärsche in der Bundesrepublik entwickelt. Dutzende Teilnehmer der Demonstration zogen vermummt durch die Straßen, ohne dass die Polizei dagegen vorging. Ein Polizeisprecher sagte am Samstagabend, dass die eingesetzten zehn Hundertschaften einen friedlichen Verlauf des Tages gesichert hätten. Zahlreiche kleinere Blockaden wurden von den Einsatzkräften geduldet. Oft wurden die Neonazis nur wenige Meter neben den Blockadeversuchen an ihren Gegnerinnen und Gegnern vorbeigeführt.
Das Fazit des Bündnisses »Dresden nazifrei« fiel entsprechend negativ aus. »Was nützt es, frühzeitig über den Zeitpunkt einer Nazidemo informiert zu sein, wenn es Dresdnerinnen keinen feuchten Kehricht schert, dass ein verurteilter Holocaustleugner und Volksverhetzer anreist?« hieß es in einer Stellungnahme. Die etwa 600 Menschen, die sich den Neonazis am Samstag in den Weg stellten, waren über­wiegend Linke. Die demokratische Stadtgesellschaft, Gewerkschaften oder Parteien suchte man dort vergebens.
Außer den Protesten gegen die jährlich wiederkehrenden Neonaziaufmärsche waren linke Gruppen in den vergangenen Jahren in Dresden vor allem mit einer Kritik des Gedenkens an sich beschäftigt. Über Jahrzehnte hatte sich Dresden als Symbol für eine angeblich sinnlose Zerstörung und den Angriff auf die deutsche Zivilbevölkerung stilisiert. Antideutsche Gruppen forderten die Beendigung des Gedenkens und störten regelmäßig die dazugehörigen Zeremonien. Ritualisiert ist inzwischen ein sogenannter Täterspurenmahngang, an dem am 13. Februar rund 800 Menschen teilnahmen. Sie besuchten Orte in Dresden, die für die Umsetzung der NS-Politik eine wichtige Rolle gespielt hatten. In der offiziellen städtischen Erinnerungskultur hat es seit dem Wechsel im Amt des Oberbürgermeisters im Jahr 2015 spürbare Veränderungen gegeben. Wurde der Toten der Dresdner Bombennacht in der Vergangenheit mit einem Staatsakt und offiziellen Zeremonien in Anwesenheit wichtiger Landesrepräsentanten gedacht, sind diese Formen unter Hilbert abgeschafft worden. Dass Dresden keine unschuldige Stadt war, hat noch kein Dresdner Oberbürgermeister zuvor so öffentlichkeitswirksam und deutlich wie Hilbert erklärt. Dass er dafür Morddrohungen erhielt, ist wenig überraschend.