Hippies sind gar nicht so schlimm

Love Hurts

Sekt und Sozialismus Von

Es gibt linke Kreise, in denen ist »Hippie« ein Schimpfwort. Es steht für Menschen, die keine Verantwortung übernehmen wollen, die sich vom Marxismus abgewandt haben und stattdessen Bäume umarmen und sogar tendenziell rechtsoffen sind, wenn es um Esoterik geht und Heimatschutz. Menschen, die Panzer mit Blumen bekämpfen wollen und sich der brutalen Realität repressiver Regime verweigern. Hippie bedeutet für manche schlecht angezogen und mindestens äußerlich verwahrlost, Linke, die nicht duschen und Dreads tragen und so weiter und so fort. Es sind Vorurteile, die schnell ins Reaktionäre abdriften, weil sie von Reaktionären übernommen wurden. Dabei ist es wahrscheinlich auch ein Ausdruck des Frusts über die Achtundsechziger oder wie man sie nennen möchte und ihre gefühlte politische Naivität, die dazu führte, dass sich doch weniger geändert hat als notwendig. 

Frust darüber, dass der Gang durch die Institutionen so erfolgreich war, dass die Besitzstandswahrung die folgende Generation ruiniert. Aber auch der Frust darüber, dass freie Liebe, gesellschaftliche Reflexion, kritisches Denken und all das gepredigt wurde und am Ende davon doch nur wenig übriggeblieben ist. Dass sich letztlich wenig geändert hat. Männer sind immer noch nicht ehrlich, wenn es um ihre Gefühle geht, und Frauen übernehmen weiterhin die Care-Arbeit. Die Nazis sind auch nicht weg und der globale Kapitalismus unterjocht alle. Toll. Ganz toll. Scheißhippies, will man rufen, wie naiv wart ihr nur?

Heute findet man richtige Hippies auch gar nicht mehr. Ein Schatten der Hippies findet sich auf Festivals, wenn junge, wunderschöne Instagram-Models beispielsweise auf dem Coachella in der Wüste Kaliforniens in Federbekleidung und wallenden Kleidern zu Lady Gaga tanzen. Politisch ist da nichts mehr, die Hochglanzverwertung jeder gesellschaftlichen Bewegung ist allumfassend und lässt keinen Raum für politische Auseinandersetzung. Sowieso wollen ja alle Menschen nur das Gute, keinen Streit, sich nicht einmischen, in der Mitte stehen, Harmonie. Dass Politik eben bedeutet, dass Interessen knallhart gegeneinander kämpfen, das ist irgendwie in den vergangenen Jahrzehnten verschütt’ gegangen.

Dabei war das wohl nie das Anliegen derer, die als Achtundsechziger in die Geschichte eingingen und die wir heute unter den historischen Hippies zusammenfassen. Es gab schließlich eine reaktionäre Gesellschaft, die mit langen Haaren und Peace-Zeichen völlig aus der Fassung gebracht werden konnte. Dass sich auch diese gesellschaftliche Bewegung zum Konsumgut verwandelte, ist schwerlich die Schuld derer, die es versucht haben mit Liebe statt Krieg und Kapitalismus. Deswegen ist es manchmal schade, dass Linke Hippie als Schimpfwort benutzen. Ganz so, als sei Liebe was Schlechtes.