Die Kölner Polizei muss von ihrer eigenen Darstellung der Vorgänge an Silvester 2016/17 abrücken

Kein Köln für alle

Die Kölner Polizei hat die Silvesternacht 2016/17 aufgearbeitet. Zwar hat die Polizeiführung dabei festgestellt, dass viele Vermutungen, die sie unmittelbar nach dem Jahreswechsel veröffentlichte, nicht zutrafen. Dennoch will die Polizei beim nächsten Mal ähnlich vorgehen.

Neun Monate hat die Kölner Polizei die Ereignisse der vergangenen Silvesternacht ausgewertet. Dafür besuchten Polizisten weit über 600 Personen, die in jener Nacht kontrolliert worden waren, zu Hause, um sie Fragebögen ausfüllen zu lassen. Auch externe Wissenschaftler wie der Gewalt- und Konfliktforscher Andreas Zick und der Kriminologe Thomas Feltes wurden zu Rate gezogen.

Andauernd betrinken sich in Köln junge deutsche Männer, etwa wenn der Fußballbundesligist 1. FC Köln spielt oder wieder einmal eine öffentliche Veranstaltung in der Innenstadt stattfindet. Aber sie spülen mehr Geld in die Kassen als die Ausländer, die sich billigen Alkohol mitbringen und nicht beabsichtigen, in einen Club zu gehen – bei dem sie wahrscheinlich ohnehin am Türsteher scheitern würden.

Die Ergebnisse sind ernüchternd. Sie widerlegen so manche Behauptung der Polizei. Kein Täter der Silvesternacht 2015/16 war unter den kon­trollierten Personen. Verabredungen, sich in Köln zu treffen, um Straftaten zu begehen, gab es nicht. Und nur wenige der Menschen stammten aus Nordafrika. Von Hunderten »Nafris«, von denen die Polizei in der Nacht sprach, kann also keine Rede sein. Auch waren nur 87 der kontrollierten Personen zuvor wegen Straftaten aufgefallen, die nichts mit dem Ausländerrecht zu tun haben – unter ihnen 42 deutsche Staatsbürger. Das nun veröffentlichte Fazit der polizeilichen Arbeitsgruppe lautet: Es gab an Silvester Kommunikationsprobleme; die Kon­trollierten waren in Köln, weil sie einfach feiern wollten. Dass es zum Jahreswechsel 2015/16 zu massenhaften sexuellen Übergriffen und Taschendiebstählen gekommen war, war vielen von ihnen nicht einmal bekannt, da viele der Befragten keine deutschen Medien nutzen.
Nun könnte man vielleicht erwarten, dass die Polizei sich für die falschen Behauptungen und die damit einhergehende Stigmatisierung und Schikanierung der Menschen entschuldigt, die teilweise über Stunden festgehalten wurden. Doch das ist nicht der Fall. Polizeipräsident Uwe Jacob bezeichnete den Einsatz erneut als erfolgreich und kündigte eine ähnlich starke Polizeipräsenz für den nächsten Silvesterabend an. Junge Männer, die wegen ihres Status als Flüchtling wenig Geld haben und trotzdem in der Großstadt feiern und trinken wollen, gelten der Polizei vor allem als Problemgruppe.

Hier kommen zwei Probleme zusammen: Rassismus und Konsumdruck. Andauernd betrinken sich in Köln junge deutsche Männer, etwa wenn der Fußballbundesligist 1. FC Köln spielt oder wieder einmal eine öffentliche Veranstaltung in der Innenstadt stattfindet. Aber sie spülen mehr Geld in die Kassen als die Ausländer, die sich billigen Alkohol mitbringen und nicht beabsichtigen, in einen Club zu gehen – bei dem sie wahrscheinlich ohnehin am Türsteher scheitern würden.

Köln, das sich selbst so gern als die bunte, weltoffene Millionenstadt am Rhein darstellt, wird also auch Ende des Jahres wieder auf ein großes Polizeiaufgebot setzen. Der Stadt, die eine internationale Ausstrahlung hat, soll für einige Menschen die Attraktivität genommen werden. Für die Polizei ist es der einfachste Weg, am Hauptbahnhof zu sortieren, wer feiern darf und wer nicht. Am liebsten wäre es der Polizeiführung wohl, wenn die jungen Männer gar nicht erst kämen. Dieser Wunsch dürfte kaum in Erfüllung gehen.

Anstatt Problemgruppen zu konstruieren, wäre es in Köln und auch in anderen Städten sinnvoller, ein friedliches Fest für alle zu gewährleisten – für Frauen und Männer, egal, woher sie kommen, ob sie Alkohol trinken wollen und ob sie viel Geld mitbringen.