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Niemals ein schlechtes Album

Neil Young kann nicht aufhören zu arbeiten. Seinem Fleiß widmete er 2016 ein Lied mit dem Titel »Can’t Stop Workin’«. Auf 38 veröffentlichte Alben kann er mittlerweile zurückschauen, sein neuestes Werk heißt »The Visitor« und ist Anfang Dezember 2017 erschienen. Es war bereits seine zweite Veröffentlichung in diesem Jahr, nachdem im September unveröffentlichtes Material aus den siebziger Jahren unter dem Titel »Hitchhiker« herausgekommen war.

Begleitet wird Young auf »The Visitor« zum zweiten Mal von der Band Promise of the Real. Diese Praxis hat sich bewährt: Jahrzehntelang hieß seine Begleitband Crazy Horse, 1995 lud er sich Pearl Jam ein, das mit ­ihnen aufgenommene »Mirror Ball« zählt zu seinen besten Veröffentlichungen. Die Kollaboration mit anderen Bands scheint den 72 Jahre alten Young jung zu halten. Er ist kein gealterter Rockheld, aber auch niemand, der sich andauernd neu erfindet. Irgendwo in der Mitte zwischen diesen Polen hat er sich eingenistet und arbeitet sich an der Geschichte der Rock­musik ab. Ob Folk, Blues oder Rock ’n’ Roll, alles streift er, ­zitiert er, und das Ergebnis klingt immer wie Neil Young.

Da ihm die Klangqualität seiner Aufnahmen auf Streamingdiensten nicht gut genug war, eröffnete Young gleichzeitig zum neuen Album die »Neil Young Archives«. Auf dieser Internetseite kann man sein komplettes Werk kostenlos und mit hoher Übertragungsrate anhören, der Sound angeblich so klar wie von einer Schallplatte. Auch bislang noch nicht auf Vinyl gepresstes Material ist dort zu hören. Sympathisch ist dieser Brückenschlag zwischen alter und neuer Technologie. Und man fragt sich: Woher hat der die Zeit, diese ganze Musik zu schreiben und einzuspielen?

Die Verwunderung hält an, wenn man sich die Musik dann anhört. »The Visitor« ist warm, leicht, aber doch wuchtig. In 50 Jahren hat Young kein Album gemacht, das man als schlecht bezeichnen könnte. Wie macht der das nur?

Neil Young: The Visitor ­(Reprise Records)