Die Ramones des neuen Jahrtausends
Die Band des in Los Angeles beheimateten Sängers und Schlagzeugers Dean Spunt und des Gitarristen Randy Randall hört auf den Namen No Age. Nach dem Ableben ihrer Band Wives erkannten sie die Vorzüge des Musizierens zu zweit und machten als Duo weiter. Innerhalb kürzester Zeit wurden sie eine kreative Größe mit umfangreichen Output, der sich nicht nur auf das Hörbare beschränkt, sondern auch eine Vielzahl an Videos und multimedialen Performances beinhaltet. Auch das Kuratieren von Ausstellungen gehört dazu. Der nichtkommerzielle Veranstaltungsort »The Smell« in Los Angeles ist der Mittelpunkt einer Szene, in der auch No Age sich seit Jahren bewegen. Ihre erste Compilation »Weirdo Rippers« war dem Club gewidmet, das Cover zierte seine Eingangstür.
Seit elf Jahren existieren No Age, eine lange Zeit im Pop. Die Erwartung ist groß an eine Band, deren Debütalbum »Nouns« – im Jahr 2008 auf Sub Pop Records erschienen – ein wahrer Liebling der Kritik war und auch diesseits des Atlantiks viel Aufmerksamkeit erregte. »Nouns« ist prägend gewesen, den Sound des Albums haben seitdem zahllose Bands abgekupfert: Scheppernde Drums, simple Rhythmen, weit aufgerissene, schneidend-noisige Gitarrenverstärker, keinerlei vertrackte Strukturen, eher klar und immer laut. Darüber thront der Gesang als einziges Melodieelement, das sich aber umso charmanter einschleicht – der Ohrwurmfaktor der Debütplatte ist enorm hoch. In Anbetracht dessen, dass bei den Songs wenige Refrains im klassischen Sinne zu finden sind, ist das mehr als bemerkenswert. Die US-amerikanische Musikpresse schuf dafür die Schublade »Ambient Punk«, der das Erbe des Genres »Shoegaze« in einer erweiterten Form antritt.
Die Musik der späteren Veröffentlichungen wurde immer spärlicher arrangiert, es ging leiser und auch konventioneller zu; sie erreichten nie den Status, den »Nouns« verdientermaßen erworben hatte.
Mit ihrem vierten Alben »Snares Like a Haircut« haben sich die beiden auf ihre zügellosen Anfänge zurückbesonnen, und so besticht das Album mit all jenen bereits beschriebenen Qualitäten. Dabei – und auch das hebt No Age ab von einer Vielzahl an Epigonen – sind die Stücke facettenreich und doch homogen. Auf »Snares Like a Haircut« reiht sich ein euphorischer Zweiminüter an den anderen, und mit dem wabernd-repetetiven Popsong »Send Me« findet sich hier die vielleicht schönste Aufbrauchshymne des Winters.
Als Erkenntnis bleibt, dass in der Einfachheit der hohe Wiedererkennungswert liegt – damit sind No Age vielleicht eine Art Ramones des neuen Jahrtausends. Hier werden keine musikalischen Berge versetzt: No Age sind und bleiben eine Rockband und hatten sicher nie den Anspruch, Musikgeschichte neu zu schreiben. Eher scheint es, als hätte die Band erkannt, auf welche Formel sich ihre Qualität herunterbrechen lässt, und diese Formel fungiert seitdem als ihr Rezept. Wie das neue Album beweist, bringt manchmal der Schritt zurück die berühmten zwei Schritte nach vorn.
No Age: Snares Like a Haircut (Drag City)