Unabwechslungsreiche Comicverfilmungen sind ärgerlich

Strahlemänner und Haudegen

Seite 2 – Kaum inhaltliche Auseinandersetzungen

 

Solche inhaltlichen Auseinandersetzungen sucht man in den neueren Comicverfilmungen meist vergeblich.

Die Geschichten sind mehr oder weniger austauschbar geworden, auch der neueste »X-Men«-Film »Apokalypse« (2016) ist da keine Ausnahme. Der Bösewicht des Films stammt aus der Götterwelt des alten Ägypten und erfüllt ein Muster, das sich auch bei vielen anderen neueren Filmen, etwa bei »Thor: Tag der Entscheidung« oder »Justice League«, finden lässt: Die Bedrohung kommt aus einer pseudomythologischen Unterwelt, aus dem All oder aus beidem zugleich – und hat möglichst wenig Bezug zur realen Welt. Es wirkt deshalb eher fehl am Platz, wenn im Vorspann zu »Justice Lea­gue« kurz daran erinnert wird, wozu man heute tatsächlich Helden brauchen könnte: um etwas gegen Armut, Nazi-Angriffe und religiös motivierten Terror zu unternehmen. Doch mit so etwas geben sich die Comichelden in den Filmen nicht ab. Sie bekämpfen Bedrohungen von außen, ohne die, so könnte man meinen, die Welt wohl eine ziemlich heile wäre. Werden die mythisch-außerirdischen Angreifer nur ordentlich von Thor, Wonder Woman und den anderen Superhelden verprügelt, ist am Ende alles wieder gut.

 

Konsequent ist, dass sich die Comicfilme nicht mehr so ernst nehmen und die Superhelden immer mehr zu Witzfiguren werden.

 

Da die Plots vorhersehbar geworden sind, greifen die Filme zu allerlei Mitteln, um der Langeweile zu entgehen. Dazu gehört, dass Humor eine immer größere Rolle spielt. Am spannensten ist mittlerweile, wer den besten Spruch macht, welche Situation die absurdeste und lustigste ist oder welcher Held vielleicht noch einen unerwarteten Gastauftritt hat. Statt auf den Zusammenhang der Handlung kommt es – passend zur kurzen Aufmerksamkeitsspanne der Zuschauer – auf den einzelnen Moment an. Die Aneinanderreihung von Feel-Good-Momenten ist dabei das Erfolgsrezept: Vertraute Charaktere tun etwas Lustiges, Cooles oder Heldenhaftes und sehen dabei gut aus, während im Hintergrund der Remix irgendeines Hits für die passende Stimmung sorgt. Der Film »Suicide Squad« treibt dieses Prinzip auf die Spitze, indem er die Ästhetik und den Aufbau von Filmtrailern und Musikvideos übernimmt. Kurze Clips folgen aufeinander, man wähnt sich eher in einer Playlist bei Youtube oder in einem Instagram-Feed als in einem Spielfilm.

Konsequent ist, dass sich die Comicfilme nicht mehr so ernst nehmen und die Superhelden immer mehr zu Witzfiguren werden. Mit »Guardians of the Galaxy« kam 2014 ein Marvel-Film heraus, der ein einziger fröh­licher Schwachsinn ist, ein buntes Spektakel mit Popmusik, süßen Alien-Tierchen und toilet humour. Die absolute Abwesenheit von Ernst­haftigkeit war beim Publikum sehr beliebt und hat auf die nachfolgenden Comicfilme abgefärbt. Etwa auf den neuesten Marvel-Film, »Thor: Tag der Entscheidung«, in dem der Donnergott Thor auf einer Art Terror-Disco-Planeten festgehalten wird, wo er in einem Gladiatorenkampf gegen das grüne Monster Hulk antreten muss und anschließend zu Led Zeppelins »Immigrant Song« gegen seine böse Schwester aus der Unterwelt kämpft. Erzählt wird hier nichts mehr.

Wem das auf Dauer zu langweilig wird, der sollte sich noch einmal Christopher Nolans »Batman«-Trilogie ansehen, die eine etwas tiefgründigere Form der Superhelden-Unterhaltung bietet. Nolan entwickelt ernstzunehmende Charaktere, die nicht bloß für den nächsten Lacher gut sind. Ohnehin sind die Filme keine Komödien, sondern zeigen ­voller Ernsthaftigkeit die wirkliche Welt als eine, die von sich aus nach Helden verlangt und nicht erst, wenn ein mythisch-galaktischer Bösewicht angreift. Das Bedrohliche ist in Nolans Filmen Teil der Gesellschaft und Batman kein strahlender Held mit markigen Sprüchen, sondern ein Verzweifelter, der versucht, etwas zu ändern. Nolan hat sich drei lange Filme Zeit genommen, um diese ­Geschichte zu erzählen – und danach keine weiteren Fortsetzungen gedreht.

Wenn mit »Avengers: Infinity War« im April der 19. Film des Marvel-Universums in die Kinos kommt, wird dieser wahrscheinlich wieder mit Altbewährtem aufwarten und mit vielen Lachern und Explosionen die Langeweile bekämpfen. Das wird sicher Spaß machen, aber allzu ernst sollte man diese Filme nicht nehmen.