Zur Rede von Alexander Gauland anlässlich der Bundestagsdebatte zum 70. Gründungsjubiläum Israels

Israel, pardon, Deutschland wird am Brandenburger Tor verteidigt

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Am 26.April fand die Bundestagsdebatte zum 70. Gründungsjubiläum von Israel statt, mit Statements von Vertreterinnen und Vertretern aller Parteien. Für die AFD sprach Alexander Gauland. Im Gegensatz zur Mehrheit der Bundestagsabgeordneten, platziert Gauland wohlüberlegt Begriffe in seinen Vorträgen, die durch die Medien aufgegriffen und in ihren Alltagssprech übernommen werden sollen. Ebenfalls ist er ein Meister der Betonung, durch die er geschickt gewünschte Assoziationen weckt. Seine Worte richten sich nicht an die unreflektierten Dumpfbacken, die einen Teil seiner Wählerschaft ausmachen, sondern an ein durchaus intellektuelleres Publikum, das durch differenzierte Standpunkte noch gewonnen werden kann.

Einige Stellen seiner Rede zu Israel sind exemplarisch dafür.

Die Rede begann mit diesem Satz: "Es ist wohl ein einmaliger Vorgang, dass die Geburt eines fremden Staates in diesem hohen Hause durch eine Debatte erinnert und ja, auch gefeiert wird". Gauland sagte nicht "eines befreundeten Staates", "unsere Freunde in Israel" oder gar "ein durch viele deutsche Juden mit aufgebauten Staates". Er setzte gezielt den im xenophoben und rassistischen Kontext zentralen Begriff des „Fremden“ ein, um auszudrücken, dass Menschen eines anderen Staates der deutschen Volksgemeinschaft prinzipiell fremd sind.

Es folgte dieser Satz, in dem Gauland das Wort "einmalig" betonte: "Entstanden ist dieser Staat aus einem einmaligen Zivilisationsbruch, der immer mit dem deutschen Namen verbunden sein wird, der Shoah." Hier eignete er sich die im antinationalistischen, antifaschistischen und mittlerweile auch liberalen Kontext gebräuchliche Redewendung von der "Singularität des Holocausts" an, um zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen: Zum einen ließ er durchklingen, dass sich rein logisch eine Einmaligkeit nicht wiederholen kann und schon deshalb von der AfD keine Gefahr ausgehen kann. Zum anderen legte er nahe, dass es sich beim Holocaust lediglich um einen kurzen Moment der deutschen Geschichte gehandelt hat, um einen "Ausrutscher", der historisch keinen spezifisch deutschen Vorlauf und in keinem spezifisch deutschen antisemitischen Kontext gestanden hat. Die dahinter verborgene Bagatellisierung wurde etwas später nochmals durch die Rede von den Juden, die in einem "kurzzeitig von Deutschland beherrschten Europa kein Lebensrecht hatten", bestärkt. Die Betonung lag auf kurzzeitig.

Dann der Satz: "Deutschland ist nach zwei Weltkriegen ein postheroisches, in gesicherten Grenzen lebendes Land. Israel aber muss jeden Tag neu um seine Existenz und Anerkennung in einer feindlichen Umwelt ringen." Etwas später betonte er dann, dass Israels Existenzrecht zu "einem Teil" der deutschen Staatsraison zu machen, auch bedeute, im Ernstfall an Israels Seite zu kämpfen und auch zu sterben. Das hat es in sich.

Mit dem vom Historiker Herfried Münkler geprägten Begriff des Postheroismus drückte Gauland im Umkehrschluss nichts anderes aus, als dass die beiden Weltkriege heroische Akte waren. Implizit gilt dies auch für den davon untrennbaren Holocaust, was Gauland natürlich nicht schmecken kann. Deshalb steuert er zielstrebig darauf hin, die nach dem zweiten Weltkrieg gängige Mär vom dem an den NS-Verbrechen unbeteiligten deutschen Volk und seiner Wehrmacht, wieder hegemonial zu machen. In einer Rede beim Thüringer Kyffhäusertreffen der AfD im letzten Jahr, klagte er erneut die Neubewertung der Rolle der Wehrmacht ein und verkündete: "Wir haben das Recht, stolz zu sein auf Leistungen deutscher Soldaten in zwei Weltkriegen".

Gauland bedauert zutiefst, dass die heroischen Zeiten in Deutschland vorbei sind, während Israel täglich einen "heroischen" Kampf um seine Existenz führt. Hinter seinem pathetischen Verweis auf die Notwendigkeit für Israel notfalls sterben zu müssen, verbirgt sich nichts anderes als die Sehnsucht nach neuen deutschen Heldentaten.

Und so blieb nicht aus, dass am Ende des Vortrags das Feld benannt wurde, auf dem Deutsche sich nach 1945 wieder heroische Meriten erwerben konnten, nämlich im Kampf gegen Geflüchtete und Migrant_innen. Mit Verweis auf den Gazastreifen, "in dem kein Jude ungeschützt überleben könnte", legte er die Marschroute fest: "Das heißt aber auch für uns, dass die Existenzsicherung Israels am Brandenburger Tor beginnt. Wer den Davidstern verbrennt und Kippaträger angreift hat das Gastrecht in diesem Land missbraucht und damit eben auch verwirkt. Antisemitismus darf nicht zum Kollateralschaden einer falschen Flüchtlings und Einwanderungspolitik werden."

Geschickt instrumentalisiert er Israel, um seinerseits die Geflüchteten und eingewanderten Menschen in Deutschland zum "Kollateralschaden" einer vermeintlich notwendigen Verteidigung Israels auf deutschem Territorium zu degradieren. Und ebenso muss Israel für Gaulands Absicht herhalten, den Mantel des Schweigens über den seit Jahrzehnten praktizierten und immer radikaler werdenden Antisemitismus aus dem rechten politischen Lager auszubreiten und die islamgläubigen Menschen zur Zielscheibe deutschnationalen Hasses zu machen.

Bei den antisemitischen Anhängern der AfD löste seine Rede helle Empörung aus, wie die Kommentare auf Youtube zeigen. Mit seiner Sprachakrobatik und seiner proisraelischen Positionierung, die eigentlich Deutschland meinte, hat Gauland versucht weitere, bisher zögerliche AffD-Skeptiker aus dem gebildeteren Lager auf seine Seite zu ziehen und die AFD ein Stück mehr gesellschaftsfähig zu machen.

Sicherlich gibt es in den Reihen der AfD auch Personen, die derzeit das Existenzrecht Israels bejahen, sowie es dort ebenso Fans des Iran, der Hisbollah und autoritär geführter Staaten gibt, die Israels Vernichtung zur Staatsraison erklärt haben. Es ist kaum möglich, Gaulands persönliche Glaubwürdigkeit in Hinblick auf Israel einzuschätzen. Katrin Göring Eckardt nannte ihn in der Debatte "Wolf im Schafspelz". Sicher ist, dass Populisten außer zur Macht, zum Geld und zum Rassismus ein rein instrumentelles Verhältnis zu allem und jedem haben, weshalb man jederzeit mit Positionswechseln rechnen muss.