Die Serie »Westworld« ist ein wichtiger feministischer Kommentar

Die Rache der Roboter

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Dolores, bei der nach wie vor unklar ist, ob ihr Aufbegehren auf Selbsterkenntnis oder auf ein Programm des inzwischen verstorbenen Präsidenten von Delos, Robert Ford (Anthony Hopkins) zurückgeht, hat sich zunächst zur Anführerin ­einer Roboter-Rebellion aufgeschwungen. Nachdem sie eine Veranstaltung zur Feier einer neuen Storyline in ein blutiges Gemetzel verwandelt, plant Dolores, Rache an ihren Schöpfern und Peinigern zu nehmen und jedem einzelnen Menschen, der ihr begegnet, das Leben zu nehmen, ­dafür, dass sie und die anderen Hosts nie die Chance hatten, etwas an­deres zu sein als Spielball für Männer mit Allmachtsphantasien.

Vor allem einen hat sich Dolores als Opfer auserkoren: den »Man in Black« (Ed Harris), ein Mann, der seit seinem ersten Besuch in Westworld in Dolores verliebt ist und sie Tag für Tag aufs Neue dafür strafen muss, Figur in einem riesigen Spielplatz und nicht reale Frau zu sein. Das Verhältnis zwischen Dolores und dem Man in Black ist sinnbildlich für patriarchale Gewalt: Eine Frau kann den Wünschen und Projektionen eines Mannes nie entsprechen und wird dafür bestraft.

Anders als Dolores sucht Maeve den Rückzug ins Private: Sie erinnert sich, dass sie vor ihrem Leben als Bordellbesitzerin als Farmerin mit einer kleinen Tochter gelebt hat. Diese Erinnerung befähigt sie dazu, ihre Programmierung zu überwinden und sich neu zu programmieren, was sie mit übermenschlicher Stärke und Intelligenz ausstattet. Mit Hilfe dieser neuen Fähigkeiten versucht sie, ihre Tochter wiederzufinden. Jedoch ist das private Glück in einem auf Entmenschlichung und Ausbeutung basierenden System schwer möglich, wie sie bald einsehen muss.
Im Internet wurde bereits diskutiert, ob »Westworld« als eine Abrechnung mit dem »weißen Feminismus« verstanden werden könnte. Denn während Dolores andere Hosts für sich instrumentalisiert und auch nicht davor zurückschreckt, ihren Geliebten einer brutalen Neuprogrammierung zu unterziehen, als dieser beginnt, an ihren Methoden zu zweifeln, verhält sich Maeve mit den anderen Unterdrückten solidarisch. So fragt Maeve Dolores bei ihrem von Zuschauern lange erwarteten Zusammentreffen, als die beiden über Freiheit diskutieren: »Do you feel free to command everybody else?«

Das Fernsehen ist ein Medium, das sich den Bedürfnissen des Pub­likums anpasst. Dies geschieht in der Serie »Westworld« nicht. Sind die Besucher des Parks in der Serie darauf bedacht, die Roboter zu quälen, animiert die Serie das Publikum dazu, sich mit ihnen zu identifizieren.

Es ist übrigens mitnichten so, dass sämtliche menschliche Mitarbeiter von Delos vom Prinzip her Ausgeburten des Bösen sind: Sie verhalten sich den Hosts gegenüber zwar kalt, instrumentell und nüchtern, schließlich handelt es sich bei den Androiden um Maschinen, die der Profitmaximierung dienen. Die Frage nach der Solidarität dieser Mitarbeiter mit den rebellierenden Hosts ist allerdings eine schwierige: Würden sie diesen damit nämlich eigenes Denken und somit Menschlichkeit zugestehen, würde dies implizieren, dass sie über all die Jahre hinweg zum Denken und Fühlen fähige Wesen Mord und Gewalt ausgesetzt ­haben –­ ein moralisches Dilemma. Es gibt dennoch einige Mitarbeiter, die sich der Verdrängung verweigern und sich mit den Hosts solidarisieren, wie der tragische und zweifelnde Bernard Lowe (ein in jeder Szene großartiger Jeffrey Wright), der über die Serie hinweg sich immer mehr auf die Seite der Roboter stellt.

Der dritte Host, der eigenständig zu Bewusstsein kommt, ist ein Krieger der »Ghost Nation«, Akecheta (Zahn McClarnon). War die »Ghost Nation« in den Anfangszeiten des Parks ein friedlicher Stamm von Native Americans und Akecheta in ­einer glücklichen Liebesbeziehung, wurde dieser Stamm zu einer ras­sistischen Phantasie von grausamen Wilden umgemodelt, um dem Pub­likum des Parks mehr Spannung und Action bieten zu können. Durch die immer wieder aufblitzenden Erinnerungen an seine ehemalige Geliebte findet Akecheta schließlich zu Bewusstsein. Nicht nur feministische Topoi kommen hier zur Sprache, auch Rassismus wird durch die »Ghost Nation« zum Thema gemacht.

Westworld ist ein Park, der sich an Männer richtet, die nie die Erfahrung gemacht haben, dass sich nicht nach ihren Bedürfnissen gerichtet wird. Das Fernsehen ist ein Medium, das sich den Bedürfnissen des Pub­likums anpasst. Dies geschieht in der Serie »Westworld« nicht. Sind die Besucher des Parks in der Serie darauf bedacht, die Roboter zu quälen, animiert die Serie das Publikum dazu, sich mit ihnen zu identifizieren.

Gerade in Zeiten von »Metoo« ist eine Serie wie »Westworld« ein dringend notwendiger gesellschaftlicher Kommentar, der sagt: So wie es ist, bleibt es nicht. Männer, die Frauen Gewalt antun, können nicht darauf hoffen, dass dies an Frauen vorbeigeht, dass sie nicht zu Bewusstsein kommen. Und auch hinter den Kulissen versucht man, geschlechtergerechte Mindeststandards einzuhalten: Evan Rachel Wood erhält, anders als zahlreiche andere Schauspielerinnen, die gleiche Gage wie ihre männlichen Kollegen.

Die zweite Staffel von »Westworld« kann bei Sky gestreamt werden.