Porträt - Die saudische Frauenrechtlerin Samar Badawi

Nur fahren, nicht kritisieren

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Der Kronprinz Saudi-Arabiens, Mohammed bin ­Salman, inszeniert sich gern als Reformer. Doch sein Modernisierungskurs steckt voller Widersprüche. So dürfen zwar seit kurzem Frauen Auto fahren, aber seit Mai wurden mindestens 15 Frauenrechtlerinnen verhaftet. Eine von ihnen ist Samar Badawi. Spätestens seit 2008 steht sie mit der saudischen Gesellschaftsordnung auf Kriegsfuß. Die damals 27jährige floh vor ihrem gewalttätigen Vater, dem es zunächst nicht gelang, ihre Rückkehr zu erzwingen. 2010 verklagte sie ihren Vater, weil der ihr verbot, zu heiraten. Ihr Vater wiederum verklagte sie wegen Ungehorsams gegenüber einem männlichen Verwandten – in Saudi-Arabien ein Straftatbestand. Badawi wurde deswegen zu sieben Monaten Gefängnis verurteilt, aber nach einer internatio­nalen Kampagne vorzeitig entlassen. Die in Saudi-Arabien unerlässliche männliche Vormundschaft übernahm ein Onkel. Seitdem kämpfte sie für die Rechte der saudischen Frauen, an Wahlen teilzunehmen und alleine Auto zu fahren. 2012 überreichten ihr Hillary Clinton und Michelle Obama den »International Women of Courage Award«. 2014 verbot das Innenministerium ihr die Ausreise, 2016 wurde sie kurzzeitig inhaftiert. Ihr Bruder, der liberale Blogger Raif Badawi, der Religionsfreiheit gefordert hatte, wurde 2015 als Apostat öffentlich ausgepeitscht und ist bis heute in Haft. Seit dem 30. Juli sitzt auch Samar Badawi wieder im ­Gefängnis.

Die kanadische Regierung kritisierte die Verhaftung Samar Badawis vergangene Woche scharf und forderte ihre sofortige Freilassung – das löste eine diplomatische Krise aus. Die saudische Regierung verwies den kanadischen Botschafter Dennis Horak des Landes und kündigte an, den Handel mit Kanada einzustellen. Wie die meisten westlichen Länder importiert Kanada Öl aus Saudi-Arabien und exportiert unter anderem Rüstungsgüter dorthin. Noch im März erlaubte der ­kanadische Premierminister Justin Trudeau den Verkauf von 900 schwer gerüsteten Panzerwagen für umgerechnet zehn Milliarden Euro nach Saudi-Arabien. Im Jahr zuvor hatten kanadische Medien ein Video veröffentlicht, das zeigte, wie kanadische Panzerwagen desselben Herstellers in Saudi-Arabien gegen die schiitische Minderheit eingesetzt wurden.

Im vergangenen Jahr wurde Badawi vom Europäischen Parlament der Sacharow-Preis für Menschenrechte verliehen. Zur ihrer Inhaftierung haben sich bislang weder die Bundesregierung noch die EU-Kommission geäußert.