Die regimefreundliche Iran-Politik der Bundesregierung

Der Tanz mit dem kleineren Übel

Bundesaußenminister Heiko Maas ist mit seinen Äußerungen zum Iran den Menschen in den Rücken gefallen, die dort ihr Leben für die Freiheit riskieren.

Es gibt einen Leitsatz bundesrepublikanischer Außenpolitik, der sich seit Jahren nicht verändert: Im Nahen Osten und Nordafrika müsse der Status quo um jeden Preis gewahrt werden, denn immerhin garantierten bestehende Regimes eine gewisse Stabilität. Sie seien als das »kleinere Übel« zu betrachten, man wisse ja nicht, was danach komme, alles könne schließlich auch viel schlimmer werden. Natürlich kennt jeder Despot und Autokrat diese Spielregeln und weiß sie für sich auszunutzen. So entließ etwa der syrische Präsident Bashar al-Assad im Jahre 2011, als die Proteste gegen ihn begannen, gleich Hunderte der übelsten Islamisten aus seinen ­Gefängnissen, um später auch genügend von ihnen zu haben, die man für die Proteste verantwortlich machen konnte. Dass generell der Status quo in fast allen Ländern der Region keineswegs stabil ist, sondern in einem langsamen, aber stetigen Verfall begriffen, wird zudem ausgeblendet. Je länger die Saddam Husseins und Konsorten Zeit haben, ihre Länder systematisch zu ruinieren, desto schwieriger gestaltet sich jeder Neuanfang.

Nun also ist die Islamische Republik Iran dran, die sich dieser Tage von innen und außen enormem Druck ausgesetzt sieht. Da wären etwa die neuen schmerzhaften US-Sanktionen, die wenige Tage nach ihrem Inkrafttreten für einem weiteren Verfall der iranischen Währung Rial und Massenproteste auf den Straßen des Landes sorgen, bei denen seit langem keine Reformen mehr gefordert ­werden, sondern laut und deutlich der Ruf nach einem Ende des ganzen Regimes ertönt.

In so einer Situation, in der man immerhin diesen Menschen, die da ihr Leben riskieren, um für Freiheit, Gleichberechtigung und ein Ende religiös legitimierter Repression zu demonstrieren, seine Solidarität aussprechen könnte, springt die Bundesregierung den ­angeschlagenen Machthabern zur Seite. So sagte Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) vergangene Woche: »Wir halten es nach wie vor für einen Fehler, die Nuklearvereinbarung mit dem Iran aufzugeben.« Die Bundesregierung kämpfe »für das Abkommen, weil es auch unseren Sicherheitsinteressen dient, indem es in der Region Sicherheit schafft und Transparenz herstellt«. Schließlich liege der Iran in der erweiterten Nachbarschaft Europas. »Jeder, der sich einen regime change erhofft, darf nicht vergessen, dass, was immer auch folgt, uns viel größere Probleme bereiten könnte. Eine Isolierung Irans könnte gerade den radikalen und fundamentalistischen Kräften Auftrieb geben.« Chaos im Iran werde eine ohnehin schon unruhige Region noch mehr destabilisieren.

Man ist ja einiges gewöhnt, etwa dass noch weniger Kritik an Menschenrechtsverletzungen im Iran zu hören ist als je zuvor, seit die Bundesregierung 2014 die Islamische Republik als Partner im Kampf gegen den »Islamischen Staat« entdeckt hat. Oder dass das Mullah-Regime überhaupt als Partner gehandelt und bezeichnet wird.

Nun also dient ein Abkommen, das den Erhalt des Regimes garantiert, ihm Milliarden in die Kriegskassen gespült hat und die ­atomare Bewaffnung des Landes nur vertagt, »unseren« Sicherheitsinteressen? Das behauptet Maas von einem Regime, dessen ­erklärtes Ziel die Vernichtung Israels ist, das vom US-Außenministerium als größter weltweiter Sponsor von Staatsterrorismus ­geführt wird, das nach Angaben der israelischen Regierung jährlich 2,5 Milliarden Dollar an Terrorgruppen zahlt und dessen Schergen auch regelmäßig in Europa zuschlagen.

Welche radikaleren Kräfte könnten denn im Iran nach dem Sturz des obersten Führers Ayatollah Ali Khamenei die Macht über­nehmen, wo dort doch schon seit Jahrzehnten ein Regime mit dem denkbar radikalsten islamistischen Programm herrscht? Es ist nachweislich gerade der Iran, der seit Jahrzehnten systematisch die ganze Region destabilisiert und mit Krieg und Terror überzieht. Aber im deutschen Außenamt hält man dem angeschlagenen Mullah-Regime die Treue und signalisiert ihm, dass es sich auf die Bundesrepublik verlassen kann – denn die unterstützt regelmäßig den Erhalt des Status quo, solange irgendwelche Autokraten für scheinbare Stabilität und lukrative Handelsverträge sorgen.

Die Führer in Teheran werden diese Äußerungen sehr wohl verstanden haben: Im Konflikt des iranischen Regimes mit großen ­Teilen der eigenen Bevölkerung, mit den USA und mit Israel hat die Bundesrepublik deutlich Stellung bezogen. Alle, denen es um ein Ende der Mullah-Diktatur im Iran geht, haben nun schwarz auf weiß, dass sie nicht nur keine Unterstützung aus Deutschland und der restlichen EU erwarten können, sondern dass »unsere« Interessen ganz eindeutig darin bestehen, dass dieses Regime an der Macht bleibt.